Bill Clinton wird vertröstet V. Williams triumphiert bei den US Open

New York (sid). Unaufhaltsam, unwiderstehlich, unschlagbar: Fünf Monate nach ihrer bis dato letzten Niederlage im Achtelfinale der French Open lehrt Venus Williams die Konkurrenz weiterhin das Fürchten. Die 19-jährige Amerikanerin besiegte im Finale der US Open die Weltranglistenzweite Lindsay Davenport (USA) mit 6:4, 7:5, ist seit 26 Spielen ohne Niederlage und damit die erste Spielerin seit Steffi Graf 1993, die auch zwischen den Triumphen in Wimbledon und New York ungeschlagen blieb.

In Flushing Meadows löste sie ihre Schwester Serena ab, die im Vorjahr das Finale gegen Martina Hingis gewonnen hatte und in diesem Jahr im Halbfinale an Lindsay Davenport gescheitert war.

Als die Venus am Abendhimmel von New York aufging, musste sogar der mächtigste Mann der Welt warten. Bill Clinton hatte einen Teil des Nachmittags im Arthur Ashe Stadium verbracht, doch nach einer 80-minütigen Regenpause auf den Besuch des Damenfinales verzichtet. Seine am Abend per Telefon übermittelte Gratulation und Einladung ins Weiße Haus stießen bei der Siegerin zunächst auf taube Ohren: "Mal sehen, ob ich Zeit habe." Stattdessen überraschte sie das verdutzte Staatsoberhaupt mit der Frage nach einer Steuersenkung.

Rechtzeitig den Turbo geschaltet

Die dürfte sie nach ihrem Erfolg bei der Neuauflage des Wimbledonfinales auch dringend nötig haben. 750.000 Dollar Preisgeld nahm die Siegerin mit nach Hause, jeden Cent davon hatte sie sich am Samstag redlich verdient. Nach einem frühen 1:4-Rückstand im ersten Satz lief Williams wie im packenden Halbfinale gegen die Weltranglistenerste Martina Hingis zu sensationeller Form auf und gewann mit eingeschaltetem Turbo sechs Spiele in Folge.

Davenport wirkte zu diesem Zeitpunkt wie hypnotisiert, schaute den meist mit der beidhändigen Rückhand geschlagenen Krachern ihrer Gegnerin hilflos hinterher. Als sie beim Stand von 0:1 im zweiten Durchgang mit drei Assen in Folge endlich wieder ihr Service durchbrachte, belohnten sie die 23.217 Zuschauer mit Standing Ovations. Die Kalifornierin nahm's mit Galgenhumor und drehte mit erhobenen Armen eine kleine Ehrenrunde.

Mehr Grund zum Jubeln hatte sie an diesem Abend kaum, Williams kontrollierte mit der besten Laufarbeit im Tennis jederzeit das Geschehen. "Ich bin froh, dass ich hier Martina und Lindsay geschlagen habe. Nun fühle ich mich wie die Nummer eins", sagte die Ältere der "Ghetto-Sisters", die auf der am Montag erscheinenden Weltrangliste trotz ihrer unglaublichen Siegesserie weiterhin auf Rang drei geführt wird. Fragen nach dem System wehrte sie ab: "Das ist mir egal. Ich glaube immer, dass ich die Beste bin. Aber die Spitze der Weltrangliste ist definitiv eines meiner Ziele."

Während das Match als eines der besseren Endspiele in die Annalen der US Open eingehen sollte, hatte die anschließende Siegesarie des Williams-Clans eindeutig Weltklasseformat. Nachdem Davenport den letzten Ball hinter die Grundlinie gesetzt hatte, riss die im knallgelben engen Dress angetretene Williams fast wie in Zeitlupe ungläubig die Arme hoch, "torkelte" zum Gratulieren ans Netz und herzte danach ihre Mutter in der Ehrenloge.

Vater Richard Williams fühlte sich im telegenen Schauspiel offensichtlich unterrepräsentiert und hielt seine Tochter bei ihrer Rückkehr auf den Court kurzerhand zurück. Venus nahm ihn schließlich an die Hand und führte ihn auf's Spielfeld, wo das meist grimmig dreinblickende Familienoberhaupt zum leichten Missvergnügen der Organisatoren einen seltsamen Tanz aufführte.

Die anschließende Siegeszeremonie verlief allerdings ohne Zwischenfälle. Voller Stolz präsentierte die Gewinnerin ihren Siegespokal und forderte vor laufender Fernsehkamera ihre Schwester Serena zum "Sister Act": "Nächstes Jahr stehen wir beide hier."

(RPO Archiv)
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