Flensburg bleibt nur Platz zwei THW Kiel erneut deutscher Handball-Meister

Kiel (dpa) - Das Imperium hat wieder zugeschlagen. Mit dem 22:18 (12:7) gegen den TBV Lemgo krönte der THW Kiel am Sonntag beim Saisonfinale der Handball-Bundesliga eine fulminante Aufholjagd und brachte seinen neunten Meistertitel seit 1957 unter Dach und Fach. In der olympischen Seglerstadt steht "Kiel oben" nicht für Schiffbruch, sondern für eine einmalige Erfolgsserie: Zum sechsten Mal innerhalb der vergangenen sieben Jahre knallten in der Ostseehalle die Champagnerkorken und zum dritten Mal in Serie feiert die schleswig- holsteinische Landeshauptstadt das "Double" des THW.

Das aus dem Fußball berühmte Lineker-Zitat wurde zumindest für den nationalen Bereich längst auf die "Zebras" übertragen: Handball ist, wenn sich 14 Männer um den Ball streiten und am Ende immer Kiel gewinnt. "Wir haben mal wieder den Mythos gepflegt, dass wir immer die Nase vorn haben", jubelte Manager Uwe Schwenker. "Wir haben eine tolle Saison gespielt, dass wir jetzt noch Meister werden, krönt ein schönes Jahr", meinte Trainer Zvonimir Serdarusic.

Wie schon im Vorjahr überholte der THW in einem grandiosen Endspurt kurz vor der Ziellinie die SG Flensburg-Handewitt, die wie im Vorjahr zeitweise mit fünf Punkten führte, aber vor der Aufholjagd der Kieler förmlich erstarrte wie das Kaninchen vor der Schlange. "Eigentlich hatte ich den Titel schon abgehakt", sagte Schwenker - aber dann schlugen seine "alten Herren" wieder zurück.

Das Bayern München des Handballs feiert die Feste wie sie fallen - und steckt auch bittere Nackenschläge mit bewunderswerter Souveränität weg: Drei Wochen nach dem unglücklich verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona schwappte wieder eine Welle der Euphorie durch den wie immer mit 7 250 Fans ausverkauften Handball-Tempel Ostseehalle. Ohne seine Spielmacher Daniel Stephan und Andrej Siniak war Lemgo auch als auswärtsstärkstes Team kein wirklicher Prüfstein mehr für den THW, der über 2:0, 7:3, 11:6 und 16:9 von Beginn an dominierte. Mit jeweils sieben Treffern taten sich Nikolaj Jacobsen und Staffan Olsson als beste Werfer hervor.

Nach dem Schlusspfiff tanzten die THW-Anhänger und -Spieler Polonaisen über das Parkett. Uli Strombach, Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) überreichte Kapitän Magnus Wislander die Meisterschale. Auf dem Rathausplatz feierten schon traditionell wieder Tausende Fördestädter vor einem Großbildschirm ihre Mannschaft.

Aus Kiels Jungsenioren-Team, dessen Erfahrung, Cleverness und Kaltblütigkeit einen großen Teil der Qualität ausmacht, ragte wieder einmal einer besonders heraus: Magnus Wislander. Er sagt von sich: "Ich gehöre zu denen, die nicht gut verlieren können." Der 36-jährige Spielführer, der zugleich sein zehnjähriges Dienst-Jubiläum beim THW feiert, warf wieder einmal seine Entschlossenheit und seine einmalige taktische Intelligenz in die Waagschale, mit der er auch die schwedische Nationalmannschaft zu zwei WM-Titeln geführt hatte. Unübersehbar profitierte das THW-Uhrwerk auch davon, dass zu Wislander und seinem Landsmann Olsson (36) vor der Saison mit Stefan Lövgren (29) noch ein dritter "Wikinger" ins Zebra-Trikot geschlüpft war. "Beim THW habe ich gelernt, schwedisch zu spielen", sagt ein Däne im THW-Trikot, der Weltklasse-Linksaußen Nicolaj Jacobsen.

Mit einem Altersschnitt von 31 Jahren wurde die älteste Mannschaft der Bundesliga wieder einmal die beste. Trotz aller voreiligen Nachrufe auf das angeblich überalterte Team wartete die Konkurrenz vergeblich auf einen konditionellen Kollaps des Abonnement-Meisters, dessen jüngster Stammspieler - der norwegische Nationaltorhüter Steinar Ege - schon 28 Jahre alt ist und der sich auch von den extrem schwankenden Leistungen seiner serbischen "Tormaschine" Nenad Perunicic nicht aus der Erfolgsbahn werfen ließ.

Der kroatische Trainer Serdarusic (49) hat an der Kieler Förde seit 1993 einen modernen Handball-Mythos geschaffen, der sich nach sechs Meistertiteln in sieben Jahren auch mit den Glanzzeiten des VfL Gummersbach in den 60er und 70er Jahren oder des TV Großwallstadt zwischen 1978 und 1984 messen kann. Und last but not least liefern die 7 250 Zuschauer in der Ostseehalle, eine "geschlossene Gesellschaft" von lauter Dauerkarten-Inhabern, die wirtschaftliche Basis für den anscheinend ewigen Höhenflug des THW. Kiel kann sich die teuersten Eintrittspreise und mit Einnahmen von weit über 5 Millionen Mark auch den höchsten Etat der Bundesliga leisten. "Wir haben vielleicht nicht die teuerste Mannschaft der Liga, aber wir können am besten kalkulieren", sagt Schwenker, früher Linksaußen im Team und jetzt effektiver Spielmacher des THW am grünen Tisch.

34. Spieltag:

TuS Schutterwald - HC Wuppertal 23:29 (10:16) Bayer Dormagen - TuS Nettelstedt 25:20 (10:13) THW Kiel - TBV Lemgo 22:18 (12:7) SG W/M Frankfurt - TV Großwallstadt 32:29 (17:14) ThSV Eisenach - SG Flensburg-Handewitt 29:31 (11:14) VfL Bad Schwartau - TV Willstätt 29:24 (13:10) SC Magdeburg - HSG D/M Wetzlar 27:19 (14:7) GWD Minden - VfL Gummersbach 28:28 (14:13) HSG Nordhorn - Tusem Essen 25:24 (14:10)

Die Abschlußtabelle:

1. ( 1.) THW Kiel 34 25 2 7 917:783 52:16 2. ( 2.) SG Flensburg-Handewitt 34 25 2 7 929:812 52:16 3. ( 4.) SC Magdeburg 34 21 7 6 822:721 49:19 4. ( 3.) TBV Lemgo 34 21 5 8 832:732 47:21 5. ( 5.) HSG Nordhorn 34 22 3 9 877:787 47:21 6. ( 6.) TV Großwallstadt 34 21 2 11 830:786 44:24 7. ( 7.) GWD Minden 34 19 4 11 872:818 42:26 8. ( 8.) Tusem Essen 34 17 6 11 833:793 40:28 9. ( 9.) VfL Gummersbach 34 16 4 14 861:850 36:32 10. (11.) SG VfL Bad Schwartau 34 17 0 17 807:815 34:34 11. (10.) HSG D/M Wetzlar 34 16 2 16 812:846 34:34 12. (12.) SG W/M Frankfurt 34 14 1 19 786:797 29:39 13. (13.) ThSV Eisenach 34 12 2 20 781:843 26:42 14. (14.) TuS Nettelstedt 34 10 4 20 830:885 24:44 15. (15.) Bayer Dormagen 34 9 2 23 726:803 20:48 16. (16.) HC Wuppertal 34 8 3 23 790:861 19:49 17. (17.) TV Willstätt 34 6 1 27 771:908 13:55 18. (18.) TUS Schutterwald 34 1 2 31 651:887 4:64

(RPO Archiv)
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