Spanien: Untergangsstimmung beim FC Barcelona La Coruna erstmals Meister

Madrid (dpa). In La Coruna wollten nach dem Gewinn der spanischen Fußballmeisterschaft die Feiern einfach kein Ende nehmen. "Wir sind die glücklichste Stadt der Welt", rief Bürgermeister Francisco Vazquez den jubelnden Fans in der Hafenstadt zu, nachdem Deportivo erstmals den Titel geholt hatte. Beim gescheiterten Titelverteidiger FC Barcelona herrschte dagegen zum Ende der Saison fast schon Untergangsstimmung. Drei Tage nach dem Rücktritt von Clubchef Josep Lluis Nunez nahm auch Trainer Louis van Gaal seinen Hut.

"Barca" gelang als Vizemeister - ebenso wie dem FC Valencia als Tabellendritten - immerhin die Qualifikation für die Champions League. Darum muss Rekordmeister Real Madrid als Tabellenfünfter noch zittern. Die "Königlichen" stehen im Finale der europäischen Eliteklasse am Mittwoch in Paris gegen den FC Valencia nun unter Erfolgszwang. Im Falle einer Niederlage bleibt Real in der nächsten Spielzeit nur der Uefa-Pokal.

Beim Erzrivalen Barca verband van Gaal seinen Rücktritt mit einem Rundumschlag. Dieser galt vor allem den Medien. "Glückwunsch, liebe Leute von der Presse! Ihr habt es geschafft. Ich gehe", sagte der Niederländer. Kaum jemand blieb von seiner Abrechnung verschont: "Man lebt in diesem Land sehr gut. Aber mit der Arbeit sieht es anders aus." Van Gaal räumte ein, dass er zuweilen arrogant sei. Den Beweis lieferte er selbst nach: "Mit Ajax Amsterdam habe ich in sechs Jahren mehr Titel geholt als Barca in 100 Jahren."

Der Niederländer, der mit den Katalanen zwei Mal Meister und einmal Pokalsieger geworden war, verzichtet angeblich auf die Gehälter, die ihm in dem bis 2002 laufenden Vertrag zugestanden hätten. Dabei soll es sich um eine Summe von bis zu 17 Millionen Mark handeln. Van Gaal rechnete auch mit den Spielern ab, vor allem mit Rivaldo. Dem Weltfußballer des Jahres 1999 hielt er indirekt vor, die Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Sein Rücktritt erfolge auch aus Solidarität mit Nunez. Der Clubchef hatte am Mittwoch nach 22-jähriger Amtszeit als Präsident des größten Fußballvereins der Welt seinen Posten zur Verfügung gestellt.

Deportivo La Coruna durchbrach mit seinem Titelgewinn erstmals seit 16 Jahren die Vorherrschaft der "großen" Clubs aus Barcelona und Madrid. Zugleich beglichen die Galicier eine "historische Schuld" aus dem Jahr 1994. Damals hatten sie die Meisterschaft so gut wie sicher, ließen sich den Titel aber im letzten Spiel durch einen verschossenen Elfmeter in der Schlussminute noch wegschnappen.

Der neue Meister fällt in Spanien in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen. Clubchef Augusto Cesar Lendoiro zählt - anders als viele Vereinspräsidenten - nicht zu den Neureichen. Er ein Ex-Schulrektor, der sich aus der Vereinskasse ein Gehalt zahlt. Trainer Javier Irureta ist das Gegenteil jenes Trainertyps, der im Design-Anzug am Spielfeldrand steht und eine Erfolgsrezept predigt. Der 52-jährige Baske wirkt eher zurückhaltend und bescheiden. Sein Team, vor kurzem noch wegen der vielen Ausländer als "UN-Auswahl" belächelt, ist das älteste der spanischen Liga.

Es kommt ohne Superstars aus und pflegt einen eher unattraktiven Fußball mit einem kompakten Mittelfeld um die Brasilianer Mauro Silva und Djalminha sowie dem Spanier Fran. Nach der Statistik ist La Coruna Spaniens "schlechtester" Meister aller Zeiten. Noch nie holte ein Club mit so wenig Punkten den Titel. Die Galicier profitierten davon, dass Barca und Real Madrid sich in der Champions League aufrieben und daheim in der "Primera Division" zuweilen so schlecht spielten, als wollten sie von der Meisterschaft nicht wissen.

(RPO Archiv)
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