Carsten Jancker: "Das ist schon geil" München im Meisterrausch

München (dpa). Can-Can im Stadion, Chaos in der Stadt, Karneval auf den Straßen - die "Wunderknaben" des FC Bayern München stürzten die weißblaue Millionenmetropole in einen blau-weiß-roten Meisterrausch. Die Stadt im kollektiven Fußballtaumel, die Fans im Freibier-Glück, die Mannschaft im Party-Marathon bis in den frühen Sonntagmorgen - auch noch nach 16. Meistertiteln konnten die Bayern feiern. "Meisterschaft 2000, das ist schon geil", jubelte Carsten Jancker, zweifacher Torschütze beim 3:1 gegen Werder Bremen. Karl-Heinz Rummenigge wusste Bescheid. "Das ist die schönste, weil die überraschendste Meisterschaft. Das genießt man mehr", begründete Bayerns-Vizepräsident die Massen-Freude.

Als das Titel-"Wunder" perfekt war, kannte der Jubel keine Grenzen. Trainer Ottmar Hitzfeld, Manager Uli Hoeneß und Co-Trainer Michael Henke fallen sich um den Hals, tanzen Polka vor der Reservebank. "Das Unmögliche ist wahr geworden", brüllt der Stadionsprecher. "Deutscher Meister 2000 - FC Bayern München", leuchtet auf der Anzeigetafel im Olympiastadion auf. Hitzfeld, mit Weißbier getränktem Trenchcoat, umarmt alle, Stefan Effenberg fällt jedem um den Hals, Oliver Kahn ballt die Fäuste, und in der Südkurve geht die Post ab. "FC Bayern, Stern des Südens, du wirst niemals untergehen", singen die glückseligen Bayern-Fans.

Die Punk-Band "Tote Hosen", nach ihrem "Scheiß-Bayern"-Song in München zu unerwünschten Personen erklärt, gratuliert dem Rekordmeister per Flugzeug-Transparent, als DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder um 17.30 Uhr die Meisterschale an Kapitän Effenberg überreicht. Hitzfeld küsst die Trophäe, Edmund Stoiber gratuliert dem Erfolgstrainer. "Phänomenal, Wahnsinn", so Bayerns fassungsloser Ministerpräsident später. Aus den Lautsprechern bittet ein Can-Can zum Titeltanz, die Spieler drehen eine zweite Ehrenrunde. "Haching, Haching", brüllen die Fans. Rummenigge: "Die Hachinger müsste man mit Gold aufwiegen".

Im Entmüdungsbecken fließt der Schampus. "Vize-, Vizemeister Daum", tönt es verhalten aus der Bayern-Kabine. Das Mitleid für die Leverkusener überwiegt. "Keine Häme oder Schadenfreude von uns", betont Rummenigge. Der lange verletzte Thomas Strunz spricht vom "schönsten Tag in meinem Leben, weil ich kurz davor war, aufzugeben". Markus Babbel, der zum FC Liverpool wechselt, feiert seinen "wunderschönen Abgang". Für Jancker, der nach seiner Auswechslung in der Kabine bleibt, wird das Herzschlagfinale zur Nervenprobe: "Ich dachte, ich dreh' durch."

Auf den Straßen zum Marienplatz, wo die Bayern von Oberbürgermeister Christian Ude und 20 000 begeisterten Fans gefeiert werden, kommt der Verkehr zum Erliegen. "Daum, Daum, aus der Traum", singen schunkelnde Bayern-Anhänger in der U-Bahn. "Wir müssen irgendwann die Champions League gewinnen und auch mit dem Stadion die Nummer eins in Deutschland werden", ruft Hoeneß in die Menge. Auf der bis weit nach Mitternacht gesperrten Leopoldstraße feiern Tausende noch einmal ausgelassen Karneval. "Wir sind sehr zufrieden, es gab keinerlei nennenswerte Störungen", teilt die Polizei am Sonntag mit.

Bei der internen Meisterfeier in der "Alten Gärtnerei" in Taufkirchen südlich von München, zu der sich vor Mitternacht auch die komplette Hachinger Mannschaft und später auch Boris Becker gesellen, lassen die angesäuselten Spieler "die Sau raus", wie Co-Trainer Henke später verrät. Vor Garnelen, Shrimps, Schweinebraten und Himbeereis Riesengejohle um Jens Jeremies: Der Nationalspieler hat eine Wette verloren, musste Haare lassen, sieht aber auch mit neuem Stoppelschnitt nicht jämmerlich aus. Beim unvermeidbaren "Anton aus Tirol" überzeugen die Bayern und ihre Frauen als meisterhafte Tänzer. Als sich am frühen Sonntagmorgen die letzten Spieler aus der Nobel- Disko "Maximilians" schleppen, künden die ersten Sonnenstrahlen "Kaiserwetter" in München an.

(RPO Archiv)
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