"Icke" könnte noch auf den EM-Zug spingen Ribbeck plant wohl mit Häßler

Neuss (sid). Teamchef Erich Ribbeck plant bei der Euro 2000 wohl doch mit Mittelfeld-Ass Thomas Häßler. "Ich habe ihn im Spiel gegen Hertha BSC beobachtet, in dem er an allen entscheidenden Dingen beteiligt war. Er hat mehrere tödliche Pässe gespielt, sich ständig im Zweikampf am Ball behauptet. Das war schon eine beeindruckende Vorstellung", sagte der 62-jährige Ribbeck der Bild am Sonntag und vor der Nominierung seines Kaders für die Europameisterschaft in den Niederlanden und Belgien (10. Juni bis 2. Juli) am Montag in Frankfurt/Main.

Der 33-jährige Häßler, Kapitän von 1860 München, sieht der Bekanntgabe des Aufgebots derweil gelassen entgegen: "Ich würde mich sehr über eine Nominierung freuen. Wenn ich nicht dabei bin, geht die Welt aber auch nicht unter." Sein 97. und letztes Länderspiel hatte der Welt- und Europameister am 4. Juli 1998 im WM-Viertelfinale gegen Kroatien (0:3) in Lyon bestritten. Vor allem Kapitän Oliver Bierhoff hatte sich wiederholt für "Icke" Häßler stark gemacht, der eine Vielzahl seiner 27 Länderspieltreffer vorbereitet hatte.

Allerdings erhielt Torjäger Bierhoff vom Teamchef einen Rüffel, nachdem er in einem Interview die Comebacks von Häßler und von Mario Basler (1. FC Kaiserslautern) gefordert hatte. "Bierhoffs Vorschläge fand ich nicht richtig. Seine öffentlich geäußerten Personalvorstellungen machen mir das Leben unnötig schwer, solche Aussagen sind nicht gerade hilfreich", wetterte Ribbeck im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Außer der Rückkehr von Häßler scheint noch eine weitere Überraschung im Kader des EM-Titelverteidigers möglich: Stürmer Oliver Neuville (Bayer Leverkusen) könnte eventuell aussortiert werden. Unter den Augen von Ribbeck enttäuschte der Ex-Rostocker auch am Samstag in Unterhaching maßlos. Seine Rolle im Nationalteam könnte von Häßler, Sebastian Deisler oder Mehmet Scholl ausgefüllt werden.

Zwischenzeitlich erwog Ribbeck, 23 Spieler am Montag auf Grund der Verletzung von Jens Jeremies (Schlüsselbeinbruch) bekanntzugeben. "Grundsätzlich ist das denkbar. Aber wir haben große Gewähr, dass Jens rechtzeitig gesund wird", sagte Ribbeck dem Sport-Informations-Dienst (sid), wird allerdings nochmals ein Gespräch mit dem frisch gekürten deutschen Meister führen. Sollte der Bayern-Star bei der EM ausfallen, wäre der Leverkusener Carsten Ramelow eine mögliche Alternative. Der Ex-Berliner könnte problemlos die Jeremies-Rolle im defensiven Mittelfeld ausfüllen.

Das Korsett des Europameisters werden voraussichtlich auf jeden Fall Spieler des Meisters und des "Vize" bilden. Wahrscheinlich je sechs Bayern- und Bayer-Spieler dürften dem Kader angehören: Oliver Kahn, Markus Babbel, Thomas Linke, Jens Jeremies, Mehmet Scholl und Carsten Jancker (alle Bayern) bzw. Jens Nowotny, Michael Ballack, Stefan Beinlich, Carsten Ramelow, Ulf Kirsten und Paulo Rink (alle Bayer).

Negative Auswirkung wegen des verpassten Titels durch Leverkusen erwartet der Teamchef nicht: "Die Bayern kommen jetzt mit breiterer Brust zur Nationalmannschaft, für die Bayer-Spieler wäre es sicher schöner gewesen, als Meister anzureisen. Aber das Leben geht weiter, da müssen sie durch."

In der WAZ nahm Ribbeck auch nochmals zu seiner persönlichen Situation Stellung. Er habe nie an Rücktritt gedacht. "Warum sollte ich? Dann müsste ich doch bescheuert sein. Ich habe mit der Mannschaft die Qualifikation geschafft, und ich denke, dass wir nach einer konzentrierten Vorbereitung auch eine sehr gute Rolle spielen können", sagte er.

Die Trennung von Assistent Uli Stielike verteidigte Ribbeck nochmals: "Ich will keinen Ja-Sager als Co-Trainer, doch ich erwarte eine loyale Zusammenarbeit. Ich wollte mich zu diesem Thema nicht mehr äußern. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass Sie von Roland Koch, dem Co-Trainer von Christoph Daum in Leverkusen, oder von Michael Henke, dem Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld in München, relativ wenig in der Zeitung lesen."

Dass schon vor der Euro über seinen Nachfolger diskutiert wird, regt den Teamchef offenbar nicht auf: "Ich stand doch in Frage, seit ich dieses Amt übernommen habe. Und ich habe mir ein dickes Fell zugelegt, zumal ich aus meiner langjährigen Erfahrung weiß, wie Stimmung gemacht werden kann."

(RPO Archiv)
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