Berlin 1936 Nazi-Regime setzt sich in Szene

Athen (rpo). Die letzten Spiele vor dem Zweiten Weltkrieg gerieten zur Inszenierung des Nationalsozialismus. Gar nicht ins Konzept passte den Parteischergen dabei der Triumphzug des schwarzen Jesse Owens: Im Alter von sieben Jahren hatte der kleine Jesse noch täglich einen Zentner Baumwolle auf den Feldern im Süden Alabamas gepflückt.

15 Jahre später führte das zehnte von elf Kindern eines armen Landarbeiters die Menschenverachtung der Nationalsozialisten ad absurdum. Hunderttausend im Berliner Olympiastadion schlossen den mit vier Goldmedaillen erfolgreichsten Athleten der Spiele von 1936 in ihre Herzen. Wegen seiner Leistungen und seiner sympathischen Art.

Berlin sah die Spiele des Jesse Owens, nicht die des rassistischen Diktators Adolf Hitler. Auf die Frage nach dem vom "Führer" verweigerten Handschlag antwortete Owens später immer wieder, dass es entgegen anders lautender Berichte nie zu einem Treffen zwischen Hitler und ihm gekommen sei. Neben dem über 100 und 200 MeterWeitsprung sowie in der Staffel siegreichen Owens gewannen auch über 400 Meterim Hochsprung Dunkelhäutige.

Stets freundlich und bescheiden schildern Zeitzeugen den Amerikaner, was ihm die Sympathien von Gegnern und Zuschauern bescherte. Mit Luz Long, seinem großen deutschen Konkurrenten im Weitsprung, verband ihn eine jahrelange Freundschaft. Wie die beiden, ausgestreckt auf dem Stadionrasen liegend, zwischen ihren Versuchen angeregt einander erzählten - es war das beste Beispiel für Völkerverständigung.

Die Nachricht, dass sein Freund 1943 als Soldat gefallen war, erreichte Owens erst nach Kriegsende. Drei Jahrzehnte nach den Spielen traf er Longs Sohn an der Weitsprunganlage im Olympiastadion. "Dein Vater", sagte Owens nach dem Bericht eines Zeugen und legte seinen Arm um die Schulter von Karl Long, "war der fairste Sportler und beste Kamerad, den ich je kennengelernt habe. Nie werde ich jene Minuten vor meinem letzten Sprung in der Qualifikation vergessen.

Es war Luz Long, der mir den Mut zurückgab. Er redete beruhigend auf mich ein, nahm mich beiseite und maß genau den Anlauf mit mir ab. Ich machte alles genau, wie er sagte. Dann sah ich Luz Long schon lachen. Da wusste ich, dass ich es geschafft habe." Jesse Owens, der seine Ausnahmefähigkeiten bereits im Mai 1935 am so genannten "day of the days" mit vier Weltrekorden binnen 45 Minuten bewiesen hatte, wechselte nach den Spielen von Berlin ins Profilager, um seiner großen Familie zu helfen.

Nie reich, nicht einmal wohlhabend

Dazu brauchte er dringend Geld. Schon im Herbst 1936 trat der "vollkommene Athlet" in Havanna erstmals gegen ein Pferd an - und gewann. Was ihm 25 weitere Male gelang und bis 1938 nach eigenen Angaben 250.000 Dollar einbrachte, wovon er die Hälfte durch Spekulation wieder verlor. In den USA, wo er lange nicht so populär war wie in Deutschland, bediente man sich erst nach 1945 seiner Person als politisches Aushängeschild.

An den Star der 36er Spiele, der noch dreimal die Stätte seiner Triumphe besuchte, erinnert die zum Berliner Olympiastadion führende Jesse-Owens-Allee. Owens starb im Alter von 66 Jahren am 1. April 1980 in Tucson/Arizona. Der einst schnellste Mensch der Welt wurde nie reich, nicht einmal wohlhabend.

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