London 1948 "Fliegende Hausfrau" überragend

Athen (rpo). Europa lag noch immer in Schutt und Asche, der Zweite Weltkrieg war gerade drei Jahre vorbei, da richtete London vom 29. Juli bis zum 14. August 1984 die Olympischen Sommerspiele aus. Die Schar der Skeptiker war groß.

In einem Land, in dem Lebensmittel teilweise noch rationiert und die wirtschaftlichen Nöte riesengroß waren, traf sich die Jugend der Welt nach zwölf Jahren Pause zum ersten Mal wieder zum sportlichen Wettstreit. Avery Brundage, damals so genanntes "verfügbares Mitglied" der IOC-Exekutive, hatte London im August 1945 von seinen verbliebenen Amtskollegen zur Olympiastadt wählen lassen und dabei die Zustimmung der IOC-Vollversammlung vorausgesetzt, die erst 13 Monate später tagte.

Kriegsverlierer nicht eingeladen

4104 Athleten, darunter 390 Frauen, aus 59 Ländern nahmen an den insgesamt 136 Entscheidungen in 17 Sportarten teil. Die Kriegsverlierer Deutschland und Japan waren nicht eingeladen, die Sowjets blieben London fern. Die Zuschauerzahlen von Berlin erreichte London nicht, obwohl sich das Interesse der Bevölkerung im Laufe der Wettkämpfe zusehends steigerte. Der bisweilen schwache Stadionbesuch resultierte möglicherweise auch aus der Tatsache, dass Bilder von Olympia erstmals im Fernsehen übertragen wurden.

London waren die Spiele der Fanny Blankers-Koen. Die "fliegende Hausfrau" aus den Niederlanden, 30 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern, gewann Gold über 100 m, 200 m und 80 m Hürden sowie als Schlussläuferin der 4x100-m-Staffel und profitierte dabei unter anderem von den Startblocks, die in den Sprint-Wettbewerben erstmals zum Einsatz kamen. Zwar war Fanny Blankers-Koen (gestorben Ende Januar 2004) auch Weltrekordlerin im Weit- und Hochsprung, doch das olympische Regelwerk jener Tage erlaubte Frauen den Start nur in maximal vier Wettbewerben.

Offiziell jüngster Olympiasieger aller Zeiten: 17 Jahre!

Zwei weitere Athletinnen traten aus der Masse hervor. Die zierliche französische Konzertpianistin Micheline Ostermeyer wurde Olympiasiegerin mit Kugel und Diskus, und auf der Planche gewann die ungarische Florettfechterin Ilona Elek zwölf Jahre nach Berlin erneut die Goldmedaille. Dieses Kunststück gelang außer ihr nur noch dem Tschechoslowaken Jan Brzak im Zweier-Canadier über 1000 m.

Einen noch immer gültigen Rekord stellte der 17-jährige Amerikaner Bob Mathias auf, der erst vier Monate vor den Spielen mit dem Leistungssport begonnen hatte. Er dominierte den Zehnkampf vom ersten Tag an fast nach Belieben und ist bis heute der jüngste Leichtathletik-Olympiasieger aller Zeiten.

Pistolenschütze Karoly Takacs, Mitglied der ungarischen Weltmeister-Mannschaft, gewann Gold mit der Schnellfeuerpistole. Ein Granatsplitter hatte 1938 seine rechte Hand zerfetzt, Takacs schulte sich selbst zum Linkshänder um und war zehn Jahre nach dem Unglück treffsicher wie eh und je. Nur acht Monate lang durften sich die schwedischen Dressurreiter über ihr Mannschaftsgold freuen, dann wurde Gehnäll Persson und mit ihm das gesamte Team offiziell disqualifiziert.

Ausschließlich Offiziere durften bei Olympia reiten, Persson war jedoch lediglich Sergeant bei der schwedischen Armee. Die Regel wurde später abgeschafft. 1952 in Helsinki und 1956 in Stockholm gewann Persson erneut Mannschaftsgold, das er dann auch behalten durfte.

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