München 1972 Olympia verliert seine Unschuld

Athen (rpo). Bis zum 5. September 1972 war bei den Olympischen Spielen in München alles in Ordnung. Sternstunden des Sports hatten die Stimmung bei den Spielen der XX. Olympischen Spiele bis zu diesem Tag in ungeahnte Höhen getrieben. Schwimm-Phänomen Mark Spitz (USA) war mit sieben Mal Gold in die Geschichte eingegangen, die 16 Jahre junge Ulrike Meyfarth hatte Hochsprung-Gold errungen.

Dann aber wurde die Olympische Familie brutal aus ihrer Hochstimmung gerissen. Der schreckliche Anschlag auf die israelische Mannschaft forderte 17 Menschenleben. Elf Teammitglieder, fünf palästinensische Terroristen und ein deutscher Polizist starben an dem Tag, als Olympia seine Unschuld verlor.

"The games must go on"

"The Games must go on", waren die unvergesslichen Worte, die der damals schon 84 Jahre alte Amerikaner Avery Brundage (1887-1975) als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bei der Trauerfeier am 6. September sprach.

Der Anschlag auf die Spiele hatte zum Ziel gehabt, 200 arabische Gesinnungsgenossen aus israelischer Haft sowie die deutschen Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof aus dem Hochsicherheitstrakt Stuttgart-Stammheim freizupressen. Es gab auch deshalb so viele Opfer, weil der missglückte Rettungsversuch diletantisch angelegt war. Doch Olympia überlebte.

Bis dahin waren es die "heiteren Spiele" unter dem einmaligen Zeltdach gewesen, ganz geprägt durch die Handschrift des Feingeistes Willi Daume. Es stimmte einfach alles, von der spielerisch leichten Eröffnungsfeier bis zum gesamten Ambiente. Die erstmals unter "DDR" bei Sommerspielen angetretene Mannschaft des "anderen Deutschland" wurde bei jedem Auftreten gefeiert.

Beide deutsche Teams (20 Gold Ost und 13 Gold West) wuchsen über sich hinaus - vor allem die bundesdeutschen Leichtathleten mit sechs Siegen. Neben der Weltrekord springenden Ulrike Meyfarth (1,92 Meter) wurde besonders die Leverkusenerin Heide Rosendahl umjubelt, die das Staffel-Finale gegen die Jenaer Doppel-Olympiasiegerin Renate Stecher (100/200 m) ebenso gewann wie den Weitsprung.

Im Schwimmen triumphierte Roland Matthes aus Erfurt nach Belieben über 100 m und 200 m Rücken, DDR-Doppelsiege feierten auch Turnerin Karin Janz und Läuferin Monika Zehrt (400 und 4x400).

Superstar Spitz

Der Amerikaner Mark Spitz siegte bei sieben Starts siebenmal in Weltrekordzeit und wurde zum Superstar unter den 7.147 Teilnehmern aus 122 Ländern. Zum Supermann im Boxen stieg der Kubaner Teofilo Stevenson auf, der Russe Waleri Borsow entzauberte die US-Sprinter, der Finne Lasse Viren dominierte die Langstrecken.

Im Basketball erlebten die USA ihr Waterloo mit einem 50:51 in letzter Sekunde gegen die UdSSR, ihrer ersten olympischen Niederlage. Als trauriger Held ging einer in die Geschichte ein, der ohne Medaille blieb: Ringer Wilfried Dietrich (1933 bis 1992), der "Kran von Schifferstadt", nahm zwölf Jahre nach dem Gold von Rom mit Platz vier Abschied von der Matte, nachdem er den 182 kg schweren Amerikaner Chris Taylor im griechisch-römischen Stil geschultert hatte - physikalisch eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

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