Olympia 1936 in Berlin Hitlers Propaganda-Spiele

Berlin · Mit den Olympischen Spielen 1936 in Berlin lieferten die Nationalsozialisten eine monumentale Inszenierung ab. Sie sollte der Welt ein friedliches und offenes Deutschland vorgaukeln. Viele Besucher ließen sich davon beeindrucken.

 Adolf Hitler (M.) bei der Eröffnung der XI. Olympischen Spiele am 1. August 1936 in Berlin.

Adolf Hitler (M.) bei der Eröffnung der XI. Olympischen Spiele am 1. August 1936 in Berlin.

Foto: dpa, sv jhe vbm skm

Es sollten Olympische Spiele mit Signalwirkung sein: Hitler wollte 1936 der Welt ein gewandeltes, friedliebendes Deutschland präsentieren, mit dem Image, eine Nation von Kriegstreibern zu sein, endgültig aufräumen. Das war der Plan. Der dank eines bestens aufgestellten Propagandaapparats auch aufging, wie der Historiker Oliver Hilmes in seinem Buch "Berlin 1936. Sechzehn Tage im August" darlegt. Zigtausende internationale Gäste, darunter unter anderem der amerikanische Bestsellerautor Thomas Wolfe, ließen sich von der perfekten wie perfiden Inszenierung der Nazis hinters Licht führen. Dabei hatte Hitler ganz anderes im Sinn - statt von Medaillen sprach er insgeheim bereits 1936 von neuem Lebensraum für das deutsche Volk. Und ließ zeitgleich zu den Spielen nahe Berlin das Konzentrationslager Sachsenhausen weiterbauen.

Die sportbegeisterten Besucher ließen sich indes vom Pomp berauschen und betäuben. Bei der Eröffnungsfeier zog der 240 Meter lange Zeppelin "Hindenburg" die olympische Flagge über die Zuschauerränge, 20.000 Friedenstauben flatterten in den Himmel. Kaum jemand verstand es so gut wie Propagandaminister Joseph Goebbels, Massenveranstaltungen so zu inszenieren, dass sie die Menschen berührten, wusste Glanz und Grusel faszinierend zu verbinden. Auch Hitler gab sich handzahm. Autor Wolfe beschrieb den Diktator als kleinen, dunklen Mann "mit Operettenbärtchen" und wollte bei ihm keinen Nazigruß entdeckt haben, sondern die "segnende Gebärde eines Buddhas oder eines Messias".

Geschickt hebelten die Nazis auch den Versuch der USA aus, die Spiele wegen der 1935 verabschiedeten Nürnberger Rassegesetze zu boykottieren. Unterhändler einigten sich darauf, dass die deutsche Mannschaft jüdische Sportler aufstellen müsse. Die Nazis nominierten daraufhin die Leichtathletin Gretel Bergmann und die in den USA lebende Fechterin Helene Mayer. Bergmann wurde gezwungen, kurz vorher abzusagen, Mayer aber nahm als einzige jüdische Sportlerin im deutschen Kader an den Spielen teil, obwohl ihr Prominente im Exil, wie der Schriftsteller Thomas Mann, davon abrieten. Schien doch das Gelingen der Veranstaltung von ihr abzuhängen. Mayer holte Silber und zeigte bei der Siegerehrung den Hitlergruß - was bei machen Intellektuellen für Kopfschütteln sorgte. Generell verursachte der Gruß allerlei Irritationen, glich er doch dem olympischen Gruß fast aufs Haar. So wurden die französischen Athleten beim Einzug ins Stadion bejubelt, weil sie die Arme zum Sportgruß reckten. Die Welt des Sports und der Politik verschränkten sich unauflösbar.

"Juden unerwünscht"

Dazu trug die Inszenierung der Nazis bei. Sie ließen im Vorfeld in Berlin Schaukästen mit dem antisemitischen Hetzblatt "Stürmer" abmontieren und Schilder mit der Aufschrift "Juden unerwünscht" entfernen. Die Hitlerjugend sang derweil hinter verschlossenen Türen "Nach der Olympiade / schlagen wir die Juden zu Marmelade". Auch das deutsche Volk wurde auf die Spiele eingeschworen. Die Einheimischen sollten den auswärtigen Gästen besonders zuvorkommend begegnen, um rassistische Vorurteile zu entkräften. "Olympia - eine nationale Aufgabe" lautete denn auch die offizielle Parole.

Zur temporären Offenheit passte, dass die Nazis die Menschen auch nachts feiern ließen. Laut Hilmes existierte in Berlin bereits eine subversive Szene mit Lokalen, in denen Swing und Jazz gespielt wurde, "Negermusik" in den Augen der Nationalsozialisten. Während der Spiele genossen Etablissements wie das Quartier Latin aber größere Freiheiten, auch Nazi-Größen legten rauschende, sündhaft teure Feste hin. Wie Hitler zu farbigen Sportlern stand, zeigt seine Äußerung über den Star der Spiele, den viermaligen Goldgewinner Jesse Owens. "Ich werde diesem Neger nicht die Hand geben", sagte er zu Reichsjugendführer Baldur von Schirach.

Bereits Ende 1936 entschied Hitler, dass Deutschland künftig nicht mehr an Olympischen Spielen teilnehmen werde. Stattdessen würde es selbst Nationalsozialistische Kampfspiele veranstalten. Die Maskerade war überflüssig geworden.

(RP)
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