Moskau 1980 Olympia Spielball der Politik

Athehn (rpo). Olympische Spiele hatten immer auch eine politische Dimension. 1980 in Moskau wurden sie aber vollends zum Spielball der Weltpolitik. Hatten 1976 22 meist schwarzafrikanische Staaten Montreal boykottiert, so rief nach dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan US-Präsident Jimmy Carter zum Boykott der XXII. Sommerspiele in Moskau auf.

Rund 60 Länder fehlten am Ende beim Wettstreit der nur 81 Nationen, darunter auch China und die Bundesrepublik Deutschland, dessen Nationales Olympisches Komitee (NOK) am 15. Mai in Düsseldorf den Verzicht mit 59:40 Stimmen beschloss. Der irische IOC-Präsident Lord Mike Killanin und seine französische Generalsekretärin Monique Berlioux, politisch viel zu unbedarft, hatten die Gefahr zu spät erkannt.

NOK-Präsident Willi Daume, damals 67, kämpfte vergeblich und war bei der Wahl zum neuen IOC-Präsidenten in Moskau als Vertreter eines Boykott-Landes chancenlos. Der Spanier Juan Antonio Samaranch setzte sich überlegen durch und veränderte die olympische Welt Coubertins durch den Abschied vom Amateur und die Hinwendung zur Kommerzialisierung wie kein anderer.

Doch den Gegenboykott konnte auch er 1984 in Los Angeles nicht verhindern. Alle Sportler, die zu Hause bleiben mussten, fühlten sich betrogen. Manche um die Krönung ihrer Karriere, wie die zum Favoritenkreis zählenden Weltrekordler Guido Kratschmer (Zehnkampf) und Dietmar Mögenburg (Hochsprung), Martin Knosp als 1980 ungeschlagener Europameister im Ringen, Dressur- und Springreiter oder Fechter. Doch Olympia überlebte.

Trotzdem hohes Niveau

In vielen Disziplinen hatten die Spiele dennoch hohes Niveau. Große Sieger waren der britische Zehnkämpfer Daley Thompson, dessen Stern damals aufging, oder seine Landsleute Steven Ovett (800 m) und Sebastian Coe (1500 m). Dass der Schotte Allen Wells die 100 Meter in 10,26 Sekunden gewann, machte allerdings deutlich, welchen Schatten der Boykott auf etliche Wettbewerbe warf.

Fast zur Farce geriet das Reiten, das alle führenden Nationen boykottierten, auch die Briten. Russland zog alle Register, um der Welt hochkarätige Spiele zu demonstrieren. Viele Athleten wuchsen derart über sich hinaus, dass sich Gedanken an Doping fast zwangsläufig aufdrängten. Die Gastgeber gewannen in 204 Wettbewerben die Rekordzahl von 80 Goldmedaillen, es folgte die DDR (47).

Seien dritten Olympiasieg in Serie feierte Box-Denkmal Teofilo Stevenson im Schwergewicht; es sollte sein letzter sein, weil Kuba 1984 und auch 1988 in Seoul den Spielen fern blieb. Geschichte schrieb Aleksander Ditjatin, der zwar "nur" dreimal Gold erturnte, aber mit insgesamt acht Medaillen bei den gleichen Spielen bis heute unerreicht ist.

Zu je drei Erfolgen kamen im Schwimmen Caren Metschuk, Rica Reinisch und Barbara Krause, deren DDR-Team angesichts des Fehlens der USA elf von 13 Wettbewerben gewann. Ihre erste von sieben Goldmedaillen feierte als 18-jährige Kanutin Deutschlands heutige Rekord-Olympiasiegerin Birgit Fischer, Waldemar Cierpinski wiederholte seinen Marathontriumph von 1976 in Montreal.

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