WM 2014 in Brasilien Gute Erholung in Jogis Dschungelcamp

Düsseldorf · Die Sprachregelung hat Joachim Löw vorgegeben. Eine "Weltmeisterschaft der Strapazen" komme auf die Nationalmannschaft zu, sagt der Bundestrainer. Ein Turnier mit großen Abständen zwischen den Spielorten, langen Flügen, hohen Temperaturen und Gegnern, die diese Bedingungen kennen. Löw ist sich allerdings mit seinem Dienstherrn, dem DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, auch erfreulich einig, dass Jammern über das Drumherum beim Saisonhöhepunkt 2014 verboten ist. "Wer lamentiert, der hat schon verloren", stellt der Coach fest.

"Campo Bahia" - Das WM-Quartier der Nationalmannschaft
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Foto: dpa, Vera Gomes

Über das Quartier wird niemand meckern. Obwohl die Bezeichnung "Base Camp" nach harten Matratzen, Doppelstockbetten, Zelten und Waschgelegenheit im nahegelegenen, von bösen Raubtieren bewohnten reißenden Fluss klingt, werden es die hochbezahlten Prinzen auf der Erbse in Campo Bahia nicht besonders ungemütlich antreffen. Ein Münchner Unternehmen baut dort gerade ein prächtiges Ferienresort, das im Frühjahr fertig sein wird und für die Zeit der WM dem DFB-Tross zur Verfügung steht. Der Verband bestreitet Meldungen, nach denen die Anlage in seinem Auftrag und teilweise mit Mitteln seiner Sponsoren errichtet werde.

Das Hotel in der Nähe des brasilianischen Urlaubsortes Porto Seguro an der Atlantikküste entspricht vollkommen den Wünschen des DFB. Für ausreichend Bequemlichkeit ist gesorgt, in fußläufiger Entfernung entsteht ein Trainingsplatz, und für die notwendige Abgeschiedenheit sorgt ein Wasserhindernis. Wer ins Camp gelangen will, der muss eine Viertelstunde mit der Fähre über den Fluss "Joao de Tiba" fahren. Unangemeldeter Besuch ist damit ausgeschlossen. Das findet Löw natürlich prima, denn so kann er sein Team auf die großen Aufgaben ungestört vorbereiten.

Er wehrt sich zwar ebenso wie sein Kapitän Philipp Lahm gegen den Anspruch der deutschen Fußball-Öffentlichkeit, nun müsse doch auch mal ein Titel her. Aber er weiß, dass seine Mannschaft zu den Favoriten zählt. Das verdankt sie nicht nur den Komplimenten der Konkurrenz — zuletzt pries Italiens Trainer Cesare Prandelli die Deutschen —, sie verdankt es auch ihren Leistungen. Erneut spielte sie eine Qualifikation ohne Niederlage, sie gewann sehr ernsthafte Tests in Frankreich und England, trotzte mit einer ersatzgeschwächten Formation Italien in Mailand ein 1:1 ab und beeindruckte ihre Gegner mit einer fußballerischen Kunstfertigkeit, die so gar nicht in die deutsche Sportgeschichte zu passen scheint.

Tempowechsel und Ruhephasen

Manchmal bekommt diese Kunst einen Schuss Selbstverliebtheit. Löw beschreibt das sehr vornehm. "Wir müssen im letzten Drittel des Platzes noch zielstrebiger werden", sagt er. Der Bundestrainer meint: In der brasilianischen Hitze und gegen Mannschaften von großer Klasse ist es gefährlich, allzu viele Gelegenheiten liegen zu lassen. Das Spiel der Deutschen, so viel steht fest, wird in Brasilien ökonomischer sein müssen, es muss mit Tempowechseln arbeiten und Ruhephasen einstreuen. Die Gastgeber wissen das. Brasiliens Mannschaft beherrscht die Tempowechsel. Und sie hat beim Confed-Cup im Sommer bewiesen, dass sie mit den hochfliegenden Erwartungen ihres eigenen Anhangs umgehen kann. Brasilien gewann die Generalprobe und ist nicht nur deshalb für die meisten Experten der ganz große Favorit.

Dafür steht auch Luiz Felipe Scolari. Er hat schon einmal mit Brasilien (2002) den Titel gewonnen — durch einen 2:0-Finalsieg gegen Deutschland —, und er verfügt über die seltene Fähigkeit, seinen zur großen Soloshow neigenden Schützlingen die Vorzüge eines im entscheidenden Moment zielstrebigen Spiels zu vermitteln. Der große Star Neymar, dem viele Jahre schon das Etikett des wenig teamfähigen Genies anhing, zeigte mit seinen Leistungen beim Confedcup, wie viel Wirkung von ihm ausgehen kann, wenn er begreift, dass es zehn Mitspieler gibt.

Und dann sind da noch die Holländer

Aber auch die beste Mannschaft kann nervliche Probleme bekommen, wenn ihr der Anspruch der Fans so richtig bewusst wird. Auf brasilianische Wackler hoffen weitere Mitbewerber um den Titel. Spanien gilt seit Jahren als stilprägend und hat viele enge Spiele gewonnen, weil die Mannschaft dem Gegner sehr wenig Ballbesitz gestattet. Italien verfügt über die größte taktische Cleverness aller Teams. Argentinien hat ebenfalls eine taktisch großartige Formation, und es hat Leo Messi, der im Vollbesitz seiner Kräfte der beste Spieler der Welt ist. Und dann sind da noch die Holländer und die Chilenen, die sich in einer wahren Horrorgruppe mit Spanien um den Einzug in die K.o.-Runde balgen. Sie alle schieben mehr oder weniger beredt dem jeweils anderen die Favoritenrolle zu. Am schwierigsten ist dieses Spiel für Brasilianer und Deutsche.

(RP)
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