Überlebenskampf in der Corona-Krise Schalke nicht akut von der Pleite bedroht

Gelsenkirchen · Die Corona-Pandemie verschärft die Schalker Finanzlage. Die Verbindlichkeiten von knapp 200 Millionen Euro sind aber nicht das Problem. Der Klub sucht weitere Einsparpotenziale und ist nicht akut von einer Insolvenz bedroht.

 Schalkes Finanzchef Peter Peters.

Schalkes Finanzchef Peter Peters.

Foto: dpa/Tim Rehbein

Die Verantwortlichen des FC Schalke 04 um Klubboss Clemens Tönnies haben mit alarmierenden Aussagen die Sorgen die Zukunft des Revierklubs genährt. Doch trifft die Corona-Pandemie mit der Aussetzung der Bundesligaspiele den notorisch klammen Verein besonders hart? Schon drei Tage nach dem vorläufigen Saison-Stopp hatte Marketing- und Kommunikationschef Alexander Jobst drastisch vor möglichen Folgen gewarnt. „Es geht um die Existenz des Klubs“. 24 Stunden später traf sich Finanzchef Peter Peters mit Medienvertretern zum jährlichen Hintergrundgespräch, um die bedenkliche Konzern-Bilanz für das Jahr 2019 zu erläutern.

Trotz des zweithöchsten Umsatzes der Klubhistorie von 275 Millionen Euro (2018: 350,4 Mio. Euro) wies Schalke einen - erwarteten - Jahresfehlbetrag von 26,1 Millionen Euro aus. Dabei sind die Gesamtverbindlichkeiten, die von 220 Millionen (2018) auf 198 Millionen Euro gesenkt werden konnten, nicht das Problem. Diese Schulden werden langfristig zurückgezahlt. Es geht aktuell - wenn überhaupt - um die Liquidität, die Zahlungsfähigkeit.

Das heißt: Die durch die nun ausbleibenden Zuschauer- und TV-Einnahmen entstandene Lücke muss geschlossen werden, um den in der Vergangenheit mehrfach kurz vor der Pleite stehenden Traditionsklub vor einem Insolvenz-Szenario zu bewahren. Hier hat der Klub schnell nach Lösungen gesucht und teilweise gefunden, so dass nach dpa-Informationen der Fortbestand des Klubs akut nicht gefährdet ist.

Rund zwei Millionen Euro nimmt Schalke pro Heimspiel durch den Ticketverkauf ein. Da die Saison bestenfalls ohne Fans in den Stadien beendet werden kann, fehlen bei noch vier ausstehenden Heimspielen acht Millionen Euro in der Kasse, die eingeplant waren. Man stünde „aktuell vor einer potenziell existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation“, teilte Schalke am 8. April selbst mit, als man sich bei jenen Dauerkarten-Besitzern bedankte, die trotz der Unterbrechung der Saison auf eine teilweise Rückerstattung von Geldern verzichteten. „Gerade in der Summe möglicher Rückzahlungen ist jeder einzelne Verzicht ein immenser Beitrag zur Stabilisierung der Liquidität und sichert das Überleben des Vereins“, schrieb Schalke. Die Königsblauen werden durch den Fanverzicht auf Rückzahlungen sowie Gutscheinlösungen wohl etwa 3,5 Millionen Euro einsparen.

Mitten in der Krise hatte sich auch der mächtige Aufsichtsratchef Tönnies mit „großen Sorgen um Schalke“ zu Wort gemeldet. Sollte die Spielzeit nicht fortgesetzt werden, wäre das der „Super-GAU“. Solche und andere Sätze trugen nicht gerade zur Beruhigung der Fanseele bei. Auch wenn Finanzvorstand Peter Peters betont: „Was wir hier erleben, ist nicht etwas, das verschuldet ist durch Missmanagement, sondern durch eine Krankheit.“

Erhebliche Einspareffekte von rund 30 Millionen Euro werden durch den teilweisen Gehaltsverzicht der Spieler und Topangestellten, der etwa 15 Prozent der 100 Millionen Euro Kosten für den Lizenzspielerkader ausmacht, sowie weitere 15 Prozent durch Stundungen von Gehältern und Prämien erzielt. Allerdings müssen sie wie Darlehen betrachtet werden. Weitere Sparpotenziale bieten Honorare für Spielerberater. Zudem soll Anfang Mai der größte Teil der letzten Tranche der TV-Gelder fließen, die bei Schalke rund 15 Millionen Euro ausmacht.

Ex-Manager Christian Heidel findet es normal, dass Klubs in Schwierigkeiten geraten, wenn fest eingeplante Gelder ausbleiben. „Wir reden hier nicht über eine kleine Delle. Wir reden darüber, dass einem Fußballverein Einnahmen in einer Größenordnung von 15 bis 25 Millionen wegfallen.“ Das gelte nicht nur für Schalke.

Gleichwohl mehren sich Stimmen, die wegen wachsender Unwägbarkeiten eine Ausgliederung der Profiabteilung fordern. Bislang ist dem FC Schalke 04 und vor allem seinen Fans der Status als eingetragener Verein (e.V.) heilig. Allerdings wird der Einstieg möglicher Investoren sowie die Bildung von finanziellen Rücklagen dadurch erschwert. „So wie wir aufgestellt sind, können wir dauerhaft nicht mithalten. Deshalb sollten wir über eine Ausgliederung nachdenken“, sagte Schalke-Legende Klaus Fischer (70). Auch der langjährige Finanz- und Klubchef Josef Schnusenberg schlug vor, den Status erneut zu prüfen: „Wir haben schon zu meiner Zeit gesagt, dass wir über diese Rechtsform für Schalke nachdenken müssen. Damals machte es noch keinen Sinn, jetzt wäre eine Ausgliederung sicher eine Lösung“, sagte der 79 Jahre alte Steuerberater.

Eine immer wieder geäußerter Kritik am Management der vergangenen Jahre scheint berechtigt. Schalke stünde besser da, wenn nicht immens viele auf Schalke zu Topkräften ausgebildete oder zu Nationalspielern gereifte Eigengewächse den Klub ablösefrei verlassen hätten. Inklusive Alexander Nübel, der sich in diesem Sommer dem FC Bayern anschließt, verlor Schalke in den vergangenen vier Jahren 18 Spieler, die keinen Cent Ablöse einbrachten. Allein das Quintett mit Torwarttalent Nübel, Leon Goretzka, Max Meyer, Joel Matip und Sead Kolasinac hat heute einen Markwert von geschätzt mehr als 105 Millionen Euro.

(ako/dpa)
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