IG-Medien-Chef Hensche: "Krise" Ver.di weiter auf der Kippe

Stuttgart (dpa). Die Gründung der Supergewerkschaft ver.di im Dienstleistungsbereich steht auf der Kippe. "Wir befinden uns in einer Krise", sagte IG-Medien-Chef Detlef Hensche dem "Hamburger Abendblatt" (Freitag-Ausgabe).

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Margret Mönig-Raane, warnte vor einem Scheitern der Fusion. "Das wäre ein Desaster", sagte sie den "Bremer Nachrichten" (Freitag). ÖTV-Chef Herbert Mai dagegen betonte, seine Gewerkschaft werde auch weiterhin für die notwendige Mehrheit zur Gründung von neuen Organisation arbeiten.

Nach Mais Worten hatten die Vertreter des Fusionsgewerkschaften in der jüngsten Sitzung gerade bei der Mitgliedernähe und Bezirksbildung Bewegung gezeigt. Der Vorstand der Gründungsorganisation sei sich aber bewusst, dass in allen fünf Gewerkschaften die Hürde für die Gründung von ver.di hoch sei. Nach Hensches Darstellung dagegen ist die Organisationsstruktur des geplanten Gewerkschaftsriesen weiter umstritten. Über die Autonomie der Fachbereiche wird nach seinen Worten nicht weiterverhandelt: "Da gibt es keine Spielräume." Nach den Worten von Mönig-Raane muss "bei der ÖTV breiter und tiefer rüberkommen, dass wir keine große ÖTV gründen wollen. Wir wollen etwas völlig Neues ins Leben rufen."

Neben der HBV, der IG Medien und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) wollen sich die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) im März 2001 zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zusammenschließen. Unmittelbar vor der ver.di-Gründung müssen sich die Gewerkschaften auflösen. Dazu benötigen sie 80 beziehungsweise 75 Prozent der Delegiertenstimmen. Die ÖTV wird nach dem derzeitigen Stand der Diskussionen dieses Quorum nicht erreichen, heißt es.

Seit Wochen rumort es innerhalb der Fusionsgruppe, denn unter anderen sind weite Teile der ÖTV-Basis mit den erzielten Kompromissen nicht einverstanden. Gestritten wird zum Beispiel über die Zahl der Kreisverwaltungen, die künftig Bezirke heißen werden. Die ÖTV, die derzeit über 160 Kreisverwaltungen besitzt, pocht auf Präsenz in der Fläche. Ver.di dürfe deshalb nicht weniger als 120 Bezirke haben. Die HBV dagegen hält 80 Bezirke für ausreichend.

Am 27. September wird der ÖTV-Hauptvorstand erneut über ver.di beraten. Möglicherweise wird er aber nicht über den Verbleib der ÖTV im Fusionsprozess entscheiden, sondern das Votum des Gewerkschaftstages Anfang November in Leipzig abwarten. Derweil plädierten die vier kleinen Gewerkschaften für das so genannte Vier- plus-eins-Modell. Danach wollten sie ver.di gegebenenfalls auch ohne die ÖTV gründen. Allerdings sollte dann eng mit ihr zusammengearbeitet und die Option offen gehalten werden, sich später doch noch anzuschließen. Es hat auch schon separate Treffen der vier kleinen Gewerkschaften gegeben.

(RPO Archiv)
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