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Düsseldorf Ratten, Mäuse, Schimmel - verschärfte Kritik an verrottenden Kasernen

Düsseldorf · Baustelle Bundeswehr: Nicht nur bei den Waffensystemen gibt es massive Probleme, sondern auch beim Zustand der Kasernen. "Es gibt Gebäude, die praktisch unbewohnbar sind, in denen Schimmel an den Wänden ist, wo die Fenster undicht sind und Mäuse- und Rattenfallen aufgestellt werden müssen", hat der noch amtierende Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), gestern in einem dpa-Interview kritisiert. "Der Zustand der Liegenschaften ist teilweise verheerend", stellte Königshaus fest und forderte ein Milliarden-Sanierungsprogramm. Bundeswehrangehörige beschweren sich bereits seit vielen Jahren über marode Unterkunftsblöcke, die in Deutschland teils in schlechterem Zustand seien als die Gebäude, die den Soldaten bei Auslandseinsätzen zu Verfügung stehen.

Die teils menschenunwürdigen Bedingungen für die Unterbringung der Truppe werden immer dann deutlich, wenn ehemalige Kasernen in Unterkünfte für Asylbewerber umgewandelt werden: Es bedarf in vielen Fällen eines hohen Renovierungsaufwands, bis sie bezogen werden können.

Die von Königshaus angeprangerten Mängel bestätigte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Bonn unserer Zeitung grundsätzlich: "38 Prozent der Unterkunftsgebäude weisen größere Mängel auf, um deren Behebung wir uns mit hoher Priorität kümmern." Weitere neun Prozent der Quartiere sind demnach sogar komplett unbewohnbar.

"Für die bauliche Modernisierung unserer Unterkünfte werden wir in den kommenden drei Jahren bereits rund eine halbe Milliarde Euro in die Hand nehmen. Langfristig sind zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt rund 800 Millionen Euro für investive Baumaßnahmen in Unterkünften eingeplant", teilte die Sprecherin des Infrastruktur-Bundesamtes weiter mit.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte im Rahmen ihrer Attraktivitätsagenda für qualifizierten Soldaten-Nachwuchs gefordert, dass die Unterkünfte "zeitgemäß umgestaltet" werden müssten. Dazu sollen auch moderne Möbel, Kühlschränke und Flachbildschirme gehören. Schützenhilfe erhielt von der Leyen dabei vom Deutschen Bundeswehrverband: "Unterkünfte mit Sechs-Personen-Zimmern ohne Internet und nur zwei Steckdosen oder Waschsäle mit defekten Duschen sind schon lange nicht mehr zeitgemäß", sagte dessen Vorsitzender André Wüstner.

Ursachen für den bereits seit Jahren existierenden riesigen Renovierungsstau bei Bundeswehr-Kasernen gibt es mehrere; schon die bloße Größenordnung macht die Herausforderung deutlich: Es gibt noch 388 Bundeswehr-Standorte mit knapp 3000 Wohngebäuden und rund 93 000 Unterkunftsräumen. Nach dem Mauerfall wurden zudem vorrangig mit einem Sonderprogramm von zehn Milliarden Euro die Kasernen im Osten Deutschlands renoviert.

Die laufende Bundeswehrreform sieht bis 2017 die Schließung etwa jeden zehnten Standorts vor - Investitionen dort wurden gestoppt. Zeitweise war aber unklar, welche Kasernen geschlossen werden sollten - also wurde auch in allen unklaren Fällen nichts mehr investiert.

"Dass sich angesichts solcher Zustände die Stimmung in der Truppe nicht verbessert, ist nicht verwunderlich", sagte Königshaus. Die vorgesehenen Mittel zur Kasernensanierung reichten nicht aus. "Es ist wohl ein Programm über mehrere Jahre im Milliardenbereich notwendig. Je knapper wir den Verteidigungshaushalt über Jahre hin gestalten, umso größer ist der Verfall", betonte Königshaus. "Es ist im Prinzip eine Abwärtsspirale."

Die Akzeptanz in der Bevölkerung für höhere Wehrausgaben ist allerdings recht gering. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag von dpa sprachen sich nur 35 Prozent der Befragten dafür aus, mehr Geld für die Bundeswehr lockerzumachen; 48 Prozent waren dagegen.

(RP)
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