Politik bereitet NPD-Verbot vor

Bund und Länder machen Ernst im Kampf gegen Rechts. Bis zum Sommer 2012 soll ein neues Verfahren für ein Verbot der rechtsextremen NPD vorbereitet werden. Außerdem soll noch vor Weihnachten ein Gesetz für eine zentrale Neonazi-Datei im Bundeskabinett beschlossen werden.

Berlin/wiesbaden Bis Mitte 2012 soll eine Bund-Länder-Gruppe die rechtlichen Grundlagen für ein Verbot der NPD zusammentragen. Damit wollen die Innenminister einen Neuanlauf für ein Verbotsverfahren der rechtsextremen Partei vorbereiten. Außerdem sollen gewaltbereite Neonazis in einer zentralen Datei beim Bundeskriminalamt geführt werden. Auf diese Maßnahmen haben sich die Innenminister von Bund und Ländern bei ihrer Konferenz in Wiesbaden offenbar gestern Abend geeinigt. Heute sollen die Ergebnisse vorgestellt werden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte am Rande der Sitzung, dass ein "Katalog an Kriterien" erarbeitet werde, um ein Verbotsverfahren der NPD anzugehen. Dafür müssten genügend "staatsfreie" Beweise für ein Verbot vorliegen. Man müsse prüfen, ob Informanten des Verfassungsschutzes in der Szene, die sogenannten V-Leute, "in bestimmtem Umfang" abgezogen würden. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erwartet, dass ein neues Verfahren zwei bis vier Jahre dauern wird.

Hintergrund der Debatte ist die jahrelang unaufgeklärte Mordserie des Thüringer Neonazi-Trios. Der Zwickauer Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" werden zwischen 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt. Ermittlungen gaben zudem Hinweise auf eine enge Verbindung der Zelle zur NPD.

Ein erster Anlauf von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat für ein NPD-Verbot scheiterte 2003 an der massiven Unterwanderung der rechtsextremen Partei durch staatliche Spitzel. Viele dieser V-Leute (Vertrauensleute) saßen im Bundesvorstand und den Landesspitzen der Partei. Ausgerechnet ihre Aussagen sollten aber die Verfassungsfeindlichkeit beweisen. Die Richter in Karlsruhe ließen daraufhin das Verfahren scheitern.

Wie unsere Zeitung aus Teilnehmerkreisen erfuhr, waren es vor allem die CDU-Innenminister aus Hessen, Niedersachsen, Berlin und dem Saarland, die auf das gescheiterte Verfahren hinwiesen und sich skeptisch äußerten. Zunächst müssten alle Fakten über die V-Leute zusammengetragen werden, forderte auch Bundesinnenminister Friedrich. Dies soll nun bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Mai 2012 geschehen. Erst danach könne man ein formelles Verfahren einleiten. Bis zum Sommer könnten alle Unterlagen für ein neues Verbotsverfahren vorliegen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Die SPD-Innenminister hatten indes auf ein rasches Zeichen der Politik gedrängt. "Ich glaube, dass die ganz überwiegende Zahl der Innenminister ein Signal setzen will, damit ihre Regierungen ein Verfahren auf den Weg bringen", betonte etwa der rheinland-pfälzische Minister Roger Lewentz (SPD). Das Verbotsverfahren müsse noch vor der Bundestagswahl 2013 eingeleitet werden. Auch die Vertreter der ostdeutschen Länder mahnten zu raschem Handeln und erklärten sich bereit, V-Leute in hochrangigen Führungspositionen der NPD abzuschalten. In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen sitzt die NPD im Landtag.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte eine genaue Prüfung der Prozessaussichten für ein Verfahren. Relevant seien folgende Punkte: Erstens müsse der Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit erbracht werden. Die NPD kann nach der aktuellen Rechtslage nur verboten werden, wenn ihr klar verfassungsfeindliche Ziele, also ein Beseitigen des demokratischen Systems, nachgewiesen werden können. Zweitens müsse ein "aggressiv-kämpferisches" Verhalten der Partei belegt werden, so Bosbach. Eine Verbindung zur rechtsterroristischen Zwickauer Zelle müsse ebenfalls nachgewiesen werden. Und alle V-Leute in Führungspositionen der NPD müssten abgeschaltet werden. Nur dann könne ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg haben, sagte der CDU-Politiker. Eine erneute Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre ein "Albtraum", sagte der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) in der Sitzung. Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz ist ebenfalls skeptisch: "Man kann heute nicht mit denselben Gründen das Verbot bestreiten wie damals", sagte Piltz. "Ein zweites Scheitern würde der Demokratie einen Bärendienst erweisen."

Die von den Innenministern von CDU und SPD geplante bundesweite Verbunddatei für rechtsextreme Täter lehnt die FDP weiterhin ab. "Eine Datei hilft nur, wenn auch jemand reinschaut", sagte die FDP-Politikerin Piltz. Das Problem in den vergangenen Jahren sei doch gewesen, dass niemand auf die Idee gekommen sei, im rechtsradikalen Milieu zu suchen. Eine bessere Zusammenarbeit der Behörden sei der bessere Weg.

Internet Wie die NPD im Internet verführt: www.rp-online.de/digitales

(RP)
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