Vorschlag einer Expertengruppe Neue Debatte über Steuersenkungen

Berlin (rpo). Der Vorschlag einer Expertengruppe renommierter Wissenschaftler für eine radikale Reform der Einkommensteuer läßt die Debatte über weitere finanzielle Entlastungen für Bürger und Unternehmen wieder aufleben. Die Koalition hat neue Forderungen nach zusätzlichen Steuersenkungen jedoch als unfinanzierbar zurückgewiesen.

Der Gesetzentwurf beinhalte "Riesengeschenke" an Spitzenverdiener, was für die Sozialdemokraten nicht in Frage komme, sagte SPD-Finanzexperte Reinhard Schultz am Donnerstag im Bundestag.

Das Parlament diskutierte über Steuererleichterungen besonders für den Mittelstand. Die Union forderte, die zwei noch ausstehenden Entlastungsstufen der rot-grünen Steuerreform zusammenzufassen und drastisch vorzuziehen. Sie sollen eigentlich 2003 und 2005 zünden.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks (SPD), wies den Vorwurf der Opposition zurück, die kleineren Betriebe seien die Verlierer der Reform. Dass die Abgabenlast wirklich gesunken sei, hätten die Firmen spätestens im März bei der Steuervorauszahlung gemerkt. Wegen der Möglichkeit, die Gewerbe- mit der Einkommensteuer zu verrechnen, sei die Entlastung spürbar.

Die Reform trat am 1. Januar in Kraft. Am Mittwoch hatte der Arbeitskreis um den früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof sein Modell vorgelegt. Es sieht Steuersenkungen auf breiter Front vor. Im Gegenzug sollen praktisch sämtliche Steuerschlupflöcher und Privilegien im Unternehmens- und Privatbereich abgeschafft werden. Union und FDP unterstützten weite Teile des Vorschlags.

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Christine Scheel, hielt der Opposition "puren Populismus" vor. Angesichts der Haushaltslage von Bund und Ländern seien Steuersenkungen in dieser Größenordnung nicht zu finanzieren, sagte sie. Die Kirchhof-Ideen müssten geprüft werden. Die Koalition werde Verschlechterungen für Geringverdiener nicht hinnehmen.

Der Vorstoß sei zwar "aus wissenschaftlicher Sicht sehr gut", betonte Scheel. Auch die Grünen seien für mehr Transparenz im Steuerrecht. Eine solch radikale Reform setze aber einen breiten Konsens in der Gesellschaft voraus. Wenn die Tarifsenkungen tatsächlich gegenfinanziert würden durch den Wegfall sämtlicher Ausnahmen, würde sofort jede Lobby rebellieren. "Ich möchte mal hören, was Sozialverbände sagen, wenn die Steuerfreiheit bei Nachtzuschlägen und die Pendlerpauschale wegfallen".

Die Finanzsprecherin der Union, Gerda Hasselfeldt, begrüßte dagegen Kirchhofs Vorschläge fast ohne Wenn und Aber. Das deutsche Steuerrecht sei seit dem Amtsantritt der rot-grünen Regierung noch komplizierter und ungerechter geworden. Große Kapitalgesellschaften würden weitaus stärker entlastet als der Mittelstand. Die FDP schlug erneut ihr Stufenmodell vor mit nur noch drei Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent.

(RPO Archiv)
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