Werbeverbot für Abtreibungen Bundestagsabgeordnete fürchten Reform-Aus

Werbung für Schwangerschaftsabbrüche? Schwer vorstellbar - und verboten. Doch das geltende Recht erschwert Ärzten auch die öffentliche Information. Deshalb soll es eine Reform geben. Parlamentarier fürchten jedoch, dass daraus nichts werden könnte.

 Schwangere machen sich die Entscheidung über eine Abtreibung nicht leicht (Symbolfoto).

Schwangere machen sich die Entscheidung über eine Abtreibung nicht leicht (Symbolfoto).

Foto: dpa, krk

Grüne, Linke und SPD befürchten, dass die Reform des Werbeverbots für Abtreibungen auf der Strecke bleibt. "Mein Eindruck ist, dass das auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden soll", sagte der Linken-Abgeordnete Niema Movassat am Mittwoch in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.

Der Rechtsausschuss des Bundestages konnte sich nicht auf ein Datum für eine Anhörung zum Thema einigen. Die Regierung habe nicht einmal Angaben dazu gemacht, wann sie ihren Gesetzentwurf vorlegen wolle, beklagte Movassat.

Die Union lehnt eine Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche ab, die SPD dagegen ist für eine Reform des entsprechenden Paragrafen 219a. Aus Rücksicht auf die große Koalition hatten die Sozialdemokraten aber auf ihren bereits in den Bundestag Änderungsantrag verzichtet. Unionsfraktionschef Volker Kauder und seine SPD-Kollegin Andrea Nahles verständigten sich darauf, die neue Regierung mit einem Regelungsvorschlag zu beauftragen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte der Wochenzeitung "Die Zeit", sie verstehe nicht, warum der Reformbedarf überhaupt infrage gestellt werde. "Information ist keine Werbung", sagte die Ministerin, die den Kompromissvorschlag vorlegen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe der SPD-Fraktion aber eine Lösung im Interesse von Frauen und Ärzten versprochen.

Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche, fasst den Begriff aber weiter als im allgemeinen Sprachgebrauch üblich. Wer etwa "seines Vermögensvorteils wegen" öffentlich Schwangerschaftsabbrüche anbietet, macht sich strafbar.

Vor kurzem war eine Gießener Ärztin verurteilt worden, die über einen Link mit der Bezeichnung "Schwangerschaftsabbruch" eine Datei zum Download angeboten hatte. Sie enthielt Informationen zu Abtreibungen sowie zu deren Durchführung in ihrer Praxis.

Ein Schwangerschaftsabbruch sei ein legaler Eingriff, den sich keine Frau leichtmache, sagte Barley. "Und für mich ist die Frage: Warum will man es den Frauen in dieser Situation, nachdem sie schon eine verpflichtende Beratung erhalten haben, eigentlich noch schwerer machen? Was spricht dagegen, dass eine Frauenärztin auf der Homepage ihrer Praxis stehen hat, welche Leistungen sie anbietet? Wo ist da das Problem?", so Barley. "Es geht nicht um Werbung! Niemand will Werbespots oder die Zehnerkarte für den Schwangerschaftsabbruch."

Die Grünen reagierten enttäuscht auf die Entwicklung im Rechtsausschuss. "Die Arbeit der neuen großen Koalition fängt an, wie sie geendet hat", erklärten Katja Keul und Ulle Schauws. Die Reformbemühungen drohten zu enden wie die Ehe für alle in der vergangenen Legislaturperiode. "Dort wurde der Termin zur Anhörung vier Jahre lang im Rechtsausschuss durch Geschäftsordnungsanträge von der Tagesordnung abgesetzt." Am Ende allerdings wurde die Ehe für alle doch noch beschlossen.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, unterstellte der Union ebenso wie Movassat sogar eine Blockade. "Im heutigen Rechtssausschuss hat die Union jegliche Änderung des Informationsverbotes zu Schwangerschaftsabbrüchen abgelehnt", so Fechner. "Wir brauchen angesichts deutlich steigender Strafanzeigen gegen Ärzte dringend Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte, damit Frauen in schwierigen Situationen Zugang zu sachlichen Informationen haben."

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae meinte: "Die große Koalition zeigt damit ganz klar: Sie hat Angst vor der Debatte und will dem Parlament bei diesem Thema einen Maulkorb anlegen."

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert warf der SPD ein "Einknicken" vor der Union vor. Er habe große Zweifel, dass der angekündigte gemeinsame Vorschlag der Bundesregierung fortschrittlich sein werde, sagte Kühnert der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Dass die SPD das Thema mit einer "dünnen Erklärung" zurückgestellt habe und nicht wie ursprünglich geplant eine Mehrheit im Bundestag ohne die Union anstrebe, erscheine ihm "tatsächlich wie ein Einknicken".

(heif)
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