Schuldenkrise in Griechenland Euro-Gipfel ebnet Weg für drittes Hilfspaket

Brüssel · Beim Euro-Gipfel in Brüssel sind sich die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten offensichtlich einig geworden. Tsipras und Merkel sollen sich auf die Einführung eines Privatisierungsfonds verständigt haben. Es ist das Ende einer 17-stündigen Marathonsitzung.

 EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici und der sichtlich abgekämpfte griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos reichen sich die Hand

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici und der sichtlich abgekämpfte griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos reichen sich die Hand

Foto: dpa, sh

Auf den letzten Drücker hat das vor dem Bankrott stehende Griechenland den Rauswurf aus der Eurozone vermieden. Nach 17-stündigen Verhandlungen einigten sich die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Montagmorgen einstimmig auf Verhandlungen über ein drittes Rettungspaket. Dabei wird dem Land neue Milliardenhilfe in Aussicht gestellt. Im Gegenzug muss das griechische Parlament bis Mittwoch tief greifende Reformen beschließen.

Die Staats- und Regierungschefs schätzen, dass Griechenland noch einmal rund 85 Milliarden Euro benötigt. Die beiden bisherigen Hilfspakete umfassten bereits 240 Milliarden Euro. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte nach der Einigung, die neue finanzielle Hilfe und die Reformen könnten Griechenland den Weg ebnen, Euro-Mitgliedsland zu bleiben. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schloss einen Euro-Austritt des südeuropäischen Landes aus. "Es wird keinen Grexit geben", versicherte er.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, sie trage die Verhandlungen mit voller Überzeugung mit. Doch sagte sie auch, Griechenland müsse das Vertrauen der Euro-Partner wieder aufbauen. Die Eurozone sei bereit zu Schuldenerleichterungen für Griechenland, aber nicht zum Schuldenerlass. Möglich sei zum Beispiel eine längere Frist zum Schuldendienst.

Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte, das dritte Rettungsprogramm in den vergangenen fünf Jahren sollte die Märkte überzeugen, dass ein Grexit ein Thema der Vergangenheit sei. Die Einigung werde zu Investitionen führen. Sie gebe dem Land die Chance, sich zu erholen. Man wisse, dass die Umsetzung der Vereinbarung schwierig werde. Doch würden nun die Lasten gerecht geteilt. Sein Land habe in den vergangenen sechs Monaten eine schwierige Schlacht gekämpft, um eine Vereinbarung über finanzielle Hilfe zu gewinnen. "Extreme Maßnahmen" habe man damit verhindert.

Frankreichs Präsident François Hollande sagte, er gehe davon aus, dass Griechenland in der Eurozone bleiben könne. Das griechische Parlament solle binnen Stunden zusammenkommen, um neue Reformen zu verabschieden, sagte er. Wäre Griechenland aus der Eurozone ausgeschieden, hätte diese "das Herz unserer Zivilisation" verloren.

Die Einigung verlangt von Griechenland ein drastisches Sparprogramm mit Rentenkürzungen und Privatisierungen. Im Gegenzug verspricht die Eurozone Gespräche über ein neues Rettungspaket. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte: "Die Griechen müssen zeigen, dass sie glaubwürdig sind, zeigen, dass sie es so meinen."

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Voran gegangen waren dramatische Tage und Stunden. Vorige Woche hatte Griechenland einen Antrag auf eine auf drei Jahre ausgelegte Hilfe von 53,5 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm ESM beantragt. Die Gläubiger aber nehmen an, dass dies bei weitem nicht ausreicht.

Die griechische Wirtschaft und die Banken stehen vor dem Kollaps. Zuletzt wurden sie noch über EZB-Nothilfen liquide gehalten, die aber seit Wochen bei 90 Milliarden Euro eingefroren sind. Deshalb sind Griechenlands Banken seit zwei Wochen weitgehend geschlossen und zahlen ihren Kunden pro Tag nur noch 60 Euro in bar aus. Ohne zusätzliche Hilfen der EZB können sie wohl nicht wiedereröffnen.

Mehrere Euroländer hatten gewarnt, dass Griechenland bei einem Scheitern der Verhandlungen aus dem Euroraum ausscheiden könnte - ein Präzedenzfall in der 1999 gegründeten Währungsunion, zu der Griechenland seit 2002 gehört. Der Großteil der Griechen möchte den Euro behalten. Die Mehrheit der Bevölkerung hatte bei einem Referendum vor einer Woche jedoch gegen die Reformvorschläge der internationalen Kreditgeber gestimmt.

(AP)
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