Kolumne Von Wellen und Wurzeln

Düsseldorf · Öffentliche Sprache muss sensibel sein. Aber wir sollten nicht jede Metapher ächten.

 Unser Kolumnist Frank Vollmer.

Unser Kolumnist Frank Vollmer.

Foto: grafik/Ronny Hendrichs

Vergangene Woche hat mich ein Freund zum Nachdenken gebracht, gelernter Historiker wie ich, aber als Wissenschaftler tätig. Er schrieb bei Twitter an die „Süddeutsche Zeitung“ und das Statistische Bundesamt. Beide hatten, wie unsere Zeitung auch, anlässlich des neuen Mikrozensus berichtet, jeder Vierte in Deutschland habe „ausländische Wurzeln“. Warum immer diese Metaphorik, fragte mein Freund, das impliziere doch, Menschen seien zur „Verpflanzung“ nicht vorgesehen. Dabei seien sie von Natur aus mobil.

Oh-oh, werden jetzt einige von Ihnen sagen: die Sprachpolizei wieder. Die Debatte ist ja nicht neu – sie wird etwa um die „Flüchtlingswelle“ geführt. Der Vorwurf lautet hier wie da: Wer Sprachbilder aus der Natur auf die Politik überträgt, suggeriert, es gehe um Unabänderliches (siehe Bäume) oder gar gleich um Katastrophen (siehe Welle). „Framing“ heißt das: So werde ein Rahmen geschaffen, der Fremdenfeindlichkeit begünstige.

Mein Freund, der Historiker, gehört nicht zur Sprachpolizei; dafür ist er viel zu vernünftig. Ich teile seine Bedenken trotzdem nicht – jede Parallelisierung hat Grenzen, und wir sprechen auch von der „Welle der Gewalt“ und von „politischen Erdbeben“. Jeder soll zudem privat „Negerkuss“ sagen, wenn er will. Was jedoch stimmt: Öffentliche Sprache, von Behörden und Medien, hat besonders sensibel zu sein. „Asylanten“ schreibt zu Recht niemand Seriöses mehr: weil es ein Schimpfwort geworden ist.  Ähnlich heikel sind die „Nafris“. Eine Welle dagegen beschreibt anschaulich, wie die Asylzahlen zum Beispiel in einer Grafik aussehen, nicht jede Welle ist gleich ein Unheil, und auch Pflanzen kann man umtopfen. Man darf dabei nur nichts kaputtmachen.

Was dagegen nie schaden kann: mehr über unsere Sprache zu reden. Gelassen und wachsam.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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