Kolumne „Mit Verlaub!“ Ewiger Frieden ist bloß ein Traum

Wenn Künstler mit ihrem feinen Gespür Krieg wittern, sollte man nicht abwinken.

 Burghart Klaußner bei einem Auftritt in Los Angeles (Archivfoto).

Burghart Klaußner bei einem Auftritt in Los Angeles (Archivfoto).

Foto: Micah Smith/micah smith

Welch ein Unheil kündender zweiter Satz des Schauspielers, Sängers und Romanautoren Burghart Klaußner, gesprochen im Interview mit dieser Zeitung: „Wir leben seit 70 Jahren in Frieden, das ist außergewöhnlich. Wahrscheinlich werden die Generationen nach uns wieder Krieg erleben.“

Klaußner, der demnächst als deutscher Kulturbotschafter in Thomas Manns berühmtem weißem Haus am südkalifornischen Pazifik einige Zeit verbringen wird, ist skeptisch, was die Fähigkeit des Menschen zum ewigen Frieden betrifft. Da ähnelt Klaußner dem Literaturnobelpreisträger Mann, den die Nazis aus der Heimat geekelt hatten und der als Exilant in der „Neuen, Freien Welt“ seinen Schreibtisch aufstellen durfte, um dort Werk und Ruhm zu mehren sowie Ehre einzulegen für sein abgestürztes Kulturvolk.

Was würde Mann, der den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt verehrte, zu den Wirtshausrüpel-Sitten sagen, die unter Donald Trump in Washington Einzug gehalten haben? Würde er den personifizierten Gegenentwurf zu Roosevelt bloß geringschätzig ein „Charakterchen“ nennen? Wie würde er Trumps rätselhaft-ekelhaften Umgang mit Verbündeten, wie dessen Droh- und Schmeichel-Rhetorik nach Art eines Bosses der Bosse einschätzen?

Künstler fühlen meist besser und sehen genauer, wie sich Zeiten und Menschen wandeln und ob die Geschichte in ihrem ewigen Lauf einen guten oder bösen Weg nimmt. Klaußner ist unter seinesgleichen nicht allein mit düsteren Ahnungen. Ihm schwant, dass die Migrantenströme, das Auseinanderfallen von scheinbar Festgefügtem, die Risse am Haus Europa Boten kommender Kriege sind.

Wem das zu sehr nach Unkerei klingt, der soll über einen Satz Manns nachdenken: „Wie seltsam mischt uns Sterblichen die Vorsehung manchmal Freude und Leid in einem Becher.“

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Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, Thomas Mann sei Friedensnobelpreisträger gewesen. Das war falsch; den Fehler haben wir mittlerweile korrigiert. Thomas Mann erhielt 1929 den Nobelpreis für Literatur.

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