Kolumne: Frauensache Wir müssen Ängste jetzt offen aussprechen

Nach den sexuellen Belästigungen am Kölner Hauptbahnhof wird über die Herkunft der mutmaßlichen Täter diskutiert. Sie darf weder ein Tabu sein noch eine pauschale Vorverurteilung erlauben.

Am Kölner Hauptbahnhof sind in der Silvesternacht massenhaft Frauen sexuell belästigt worden. Die Täter sollen laut Polizei "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. Auf der Hamburger Reeperbahn hat es offenbar ähnliche Vorfälle gegeben.

Ich bin oft in Hamburg. Wenn ich dort mit Freunden ausgehe, zieht es uns auch auf die Reeperbahn. Werde ich dort jedem dunkelhaarigen Mann mit Misstrauen begegnen?

Meine Eltern leben in Köln, einmal pro Woche fahre ich mit dem Zug dorthin. Werde ich künftig Angst bekommen, wenn auf der Bahnhofsrolltreppe hinter mir ein dunkelhäutiger Mann steht?

Ich will mich nicht fürchten - und doch bin ich ängstlich, erschrocken über das, was der Kölner Polizeipräsident "Straftaten einer völlig neuen Dimension" nennt.

Politik und Polizei sagen, dass die kriminellen Taten nichts mit den Menschen zu tun haben, die seit Monaten aus den Kriegsgebieten zu uns kommen. Ich habe im vergangenen Jahr einige dieser Menschen kennengelernt, sie haben mir von den Widernissen ihrer Flucht und ihren Hoffnungen auf ein sicheres, besseres Leben in Deutschland erzählt. Ich habe am Hamburger Hauptbahnhof die Zelte gesehen, in denen Flüchtlinge mit Getränken und belegten Broten versorgt werden. Nur wenige Meter entfernt stehen Reisebusse für deutsche Urlauber. Die Schlange der Geflüchteten direkt neben der Schlange der Reisevorfreudigen - selten ist mir augenfälliger geworden, welch privilegiertes Leben ich führen darf. Denn meine Schlange ist nicht die vor den Zelten.

Und doch sind da nun die Berichte aus Köln und Hamburg, die sich mit dem Klischee des frauenverachtenden arabischen Mannes vermengen. Da sind die Aussagen führender Politiker, dass man nicht wisse, wer und wie viele nach Deutschland geflüchtet sind. Sie werfen die Frage auf, ob unter den Gewalttätern nicht einige zu denen gehören, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind?

Gerade deshalb muss bei der Aufklärung der ungeheuerlichen Vorfälle in der Silvesternacht die Herkunft der Täter thematisiert werden: Dabei darf sie weder zum pauschalen Beleg für Gewalt gegenüber Frauen gemacht werden noch zu einem Tabu. Die Taten von Köln und Hamburg werden vermutlich den Rechtspopulisten, die Zuwanderung als Bedrohung empfinden, neuen Auftrieb geben. Die beste Methode ihnen entgegenzuwirken ist jetzt, Ängste offen auszusprechen. Ich bin überzeugt, wir können das, ohne in Ressentiments zu verfallen. Oder wie die Kanzlerin sagt: "Wir schaffen das."

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort