Kolumne: Frauensache Mann trägt wieder Bauch

Männer können wieder lockerlassen: Vor kurzem noch haben sie sich im Fitnessstudio gequält, doch seit neuestem gilt der Männerbauch als liebenswert. Eine Revolte gegen den Schlankheitswahn? Im Zeitalter der Gleichberechtigung keine schlechte Sache.

Ich war elf Jahre alt, als ich mir sicher war: Väter haben mehr Spaß als Mütter. Ich machte das an den Ehrentagen fest. Am Muttertag gab es Blumen und ein von uns Kindern gemachtes Frühstück. Um acht Uhr morgens standen wir am Elternbett, zerrten unsere Mutter an den gedeckten Tisch, überreichten ihr die Blumen - und dann war alles wie immer. Sie räumte Wurst und Käse in den Kühlschrank, wusch das schmutzige Geschirr und machte sich an die Vorbereitungen fürs Mittagessen. Vielleicht war sie ein bisschen müder als sonst, weil sie an Sonntagen normalerweise immer etwas länger schlief.

Am Vatertag blieb mein Vater bis zum späten Vormittag im Bett, meine Mutter machte ein üppiges Frühstück, und dann ging er mit seinen Freunden auf Tour. Abends kam er fröhlich nach Hause. Vielleicht war er ein bisschen fröhlicher als sonst, weil er an Feiertagen normalerweise nicht mit einem Bierfass auf dem Bollerwagen durch die Gegend zog.

Der privilegierte Mann, mögen Sie jetzt denken, der stets das größte Stück vom Sonntagsbraten bekam und die Hoheit über die Fernbedienung besaß - das ist ein Klischee von gestern. Dann kennen Sie "Dadbod" noch nicht. Dadbod bedeutet Vaterkörper, Vaterkörper wiederum ist die freundliche Umschreibung für Männerwampe, und Männerwampen sind bei Twitter gerade voll im Trend: Kerle aus aller Welt zeigen Fotos ihrer Rundungen. Hinter dem Hype um weiches Männerfleisch stecken nicht etwa der Brauereiverband oder die Döner-Branche, ausgelöst hat ihn eine junge Frau: Die US-Studentin Mackenzie Pearson schrieb für ihre College-Zeitung eine Art Liebeserklärung an Männer mit Bauchansatz wie Papa. Niemand wolle mit einem harten Stein kuscheln, so Pearson. In einem weichen hingegen könne man versinken. Und wer versinkt nicht gerne - in weichen Daunen, in Träumen und zur Not auch in Körperfett.

Offenbar haben Pearsons Worte befreiend auf die Männer gewirkt, wie sonst ist das massenhafte Bauch-Coming-Out zu erklären. Seit dem die Zeiten vorbei sind, in denen ein Sixpack tragen noch bedeutete, sechs Dosen Bier in den Kühlschrank zu stellen, spüren Männer den Druck des Body-Mass-Index: Die Gleichberechtigung hat nicht nur Haushalt und Kindererziehung zur gemeinsamen Sache von Frau und Mann gemacht, sondern auch den Schlankheitsterror.

Wenn nun die Männer nicht mehr den Bauch einziehen müssen, sondern stolz ihre väterlichen Rundungen zeigen, dann haben auch wir Frauen etwas davon - auch wir können endlich ausatmen!

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(RP)