Frauensache Soziale Kompetenz ist für Frauen der Karriere-Killer

Zu viel soziale Kompetenz gilt als Schwäche, zu wenig als Zickigkeit. Beides verhindert oder beendet Frauen-Karrieren, wie zuletzt die Geschichte der entlassenen Chefredakteurin der "New York Times" gezeigt hat.

Mit dem Gehirn ist es so eine Sache: Jahrtausende blieb seine Funktion ein Mysterium, dieses "blumenkohl-ähnliche" Gebilde, dessen Tätigkeit man Geist nennt, wie Wilhelm Busch es einmal beschrieb. Heute ist das menschliche Hirn seziert, vermessen und durchschaut, ja man hat es sogar gegendert. Der Unterschied zwischen Mann und Frau beginnt im Kopf - und das im wahrsten Sinne des Wortes. So haben amerikanische Wissenschaftler jetzt herausgefunden, dass soziale Kompetenz nicht von ungefähr als weibliche Kernkompetenz gilt. In der Pubertät sinkt bei Jungen und Mädchen die Durchblutung des Hirns. Bei Mädchen allerdings beginnt sie dann ab dem 16. Lebensjahr wieder zu steigen. Am deutlichsten zeigt sich die unterschiedlich hohe Blutversorgung in der Hirnregion, die für Sozialverhalten und für Emotionen zuständig ist. Eine wissenschaftliche Erkenntnis, die den Gender-Mainstream-Glauben "Barbie ist an allem schuld" zumindest in Frage stellt.

Allerdings wäre es zu simpel, die Biologie als Begründung für die Rollenzuschreibung von Mann und Frau heranzuziehen. Denn das Problem sind nicht typische Geschlechtereigenschaften, sondern deren gesellschaftspolitische Deutung. Der Wert der sozialen Kompetenz etwa gilt vordergründig als Tugend der Frau, die im wohltuenden Kontrast zu den Basta-Sager-Typen steht. Tatsächlich wird genau diese Tugend zum Karrierekiller - und das gleich doppelt: Zu viel soziale Kompetenz gilt als Schwäche, zu wenig als Zickigkeit. Beides verhindert oder beendet Frauen-Karrieren, wie zuletzt die Geschichte der entlassenen Chefredakteurin der New York Times gezeigt hat. Sie musste gehen, weil sie zu "pushy", zu brüsk war. Bei einem Mann hätte man das durchsetzungsstark genannt, denn er wird eben nicht unter der Schablone der sozialen Kompetenz und Emotionalität betrachtet.

Männer haben doppelt so häufig wie Frauen eine Führungsposition, hat soeben das Statistische Bundesamt gemeldet. Während in den jüngeren Altersklassen der Unterschied noch gering ausfällt, ist die Führungsdifferenz bei den 30- bis 45-Jährigen immens. In diesen Lebensjahren steht bei beiden Geschlechtern die Familiengründung an - für die meisten Frauen immer noch der Moment, in dem sie beruflich kürzer treten, um ihre soziale Kompetenz der Kinderbetreuung zu widmen. Das allerdings liegt weniger an der Durchblutung der Hirnregionen als an der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Und im Gegensatz zum Blutkreislauf lässt die sich ändern.

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(RP)
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