Frauensache Warum der Mann nicht der Feind der Frau ist

Berlin · Eine überwältigende Mehrheit in Deutschland meint, Frauen seien benachteiligt. Ein Geschlechterkampf wäre trotzdem das falsche Signal: denn Frauen brauchen Männer.

Um die Frau steht es schlecht — das suggerieren zumindest die Nachrichten der vergangenen Tage. Jede dritte Frau in Europa hat schon einmal körperliche Gewalt erfahren, jede zweite wurde sexuell belästigt. Frauen verdienen für gleiche Arbeit weniger als Männer, und in Deutschland meint eine überwältigende Mehrheit, Frauen seien benachteiligt.

Es ist ein düsteres Bild, das die Statistik von der weiblichen Lebenswelt zeichnet. Umso mehr lohnt da ein genauer Blick auf die Umfragen, etwa wie in der Erhebung der Europäischen Grundrechteagentur zur Gewalterfahrung von Frauen sexuelle Belästigung definiert wird: "Jemand hat sich vor Ihnen unsittlich entblößt" steht in der Befragung gleichwertig neben "unangemessene Einladung zu einem Rendezvous" und "aufdringliche Kommentare zu Ihrem Aussehen, durch die sie sich angegriffen fühlen". Natürlich ist das subjektive Empfinden einer jeden Frau zu respektieren, aber aus Blicken und Sprüchen den objektiven Tatbestand eines allgegenwärtigen Sexismus zu konstruieren, das ist — mit Verlaub — hysterisch.

Daran krankte auch die Aufschrei-Debatte, in der allein die Masse, aber eben nicht die Substanz der Wortmeldungen als Beleg für ein kollektives weibliches Trauma gedeutet wurde. Hier liegt das Grundproblem des deutschen Feminismus: Er definiert die Frau als Opfer, weil er in dem schablonenhaften Denken einer Alice Schwarzer gefangen ist und sich an der vermeintlich patriarchalischen Verschwörung abarbeitet. In Schwarzers Welt ist die Grenze zwischen Gut und Böse eindeutig definiert: Sie verläuft entlang der Geschlechter, Männer sind Täter, Frauen sind Opfer. Die Wirklichkeit aber ist komplexer.

Männer und Frauen sind längst keine homogenen Gruppen mehr — Bildung, sozialer Status oder Migrationshintergrund sorgen für größere Unterschiede innerhalb der Geschlechter als zwischen ihnen. Das übersieht der Folklore-Feminismus einer Alice Schwarzer ebenso wie die Notwendigkeit, Gleichberechtigung zu einem geschlechterübergreifenden Projekt zu machen.

Der Mann ist nicht der Feind der Frau, sondern ihr Partner. Nur gemeinsam können die großen gesellschaftlichen Themen wie der demografische Wandel und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewältigt werden. Gerade Letzteres taugt nicht für einen Geschlechterkampf, sondern benötigt ein partnerschaftliches Verhältnis. Ansonsten werden Minijobs, Teilzeitarbeit und Erziehungszeit auch in Zukunft reine Frauensache bleiben.

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(RP)
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