Kolumne: Frauensache Ein Jahr ohne Make-up

Im Urlaub, die spanische Sonne am Himmel und den warmen Strand zu Füßen, ist mir klar geworden, dass es manchmal ziemlich anstrengend ist, eine Frau zu sein. Da sind die 30-Jährigen, die sich am Frühstücksbuffet tapfer mit ein paar Stücken Ananas begnügen und am Tisch dann sehnsüchtig auf den Teller mit Spiegeleiern ihrer männlichen Begleitung blicken. Da sind die 40-Jährigen, die bei 36 Grad auf der Strandliege Make-up tragen und im Viertelstundentakt in den Handspiegel blicken, ob alles noch sitzt. Da sind die 50-Jährigen, die mit jugendlich-straffen Silikonbrüsten der Schwerkraft trotzen und deren erschlaffte Haut dennoch ihr wahres Alter verrät. Das Frau-sein ab 30 hat manchmal etwas Unentspanntes.

Um sich dem zu entziehen hat eine 20-jährige Bloggerin aus den USA einen Selbstversuch gestartet: Ein Jahr will sie auf Make-up verzichten. Nun ist sie eine junge Frau mit makelloser Haut und hübschem Gesicht, die nichts übertünchen muss. Ihre Absicht, der Welt ungeschminkt entgegenzutreten, könnte trotzdem befreiend sein, würde ihr Verzicht nicht zum Krampf geraten. Make-up sei sicherlich ein gutes Instrument, um sich selbst auszudrücken, so die junge Bloggerin, aber sie hasse die Tatsache, dass viele Frauen es tragen, um sich schön zu fühlen. Wie bitte? Der Rougepinsel als expressionistisches Werkzeug ist erlaubt, als Instrument der äußerlichen Verschönerung aber nicht? Frauen können also fröhlich in ihrem Gesicht herummalen so lange sie sich nicht schöner dadurch fühlen. Das ist nicht nur unentspannt, sondern Unsinn.

Noch seltsamer wird es, wenn die Bloggerin einen Zusammenhang zwischen Make-up-Benutzung und Karriere konstruiert: Wie sollen Frauen, die sich konstant auf ihr Äußeres reduzieren genug Selbstbewusstsein aufbauen, um Politikerinnen und Geschäftsführerinnen zu werden? Puh. Lidschatten und Lippenstift als Karrierehindernis - auf die Idee muss man erst ein Mal kommen. Schminke per se als Ausdruck mangelnden Selbstbewusstseins zu werten, ist ebenso simpel wie geschichtsvergessen. So waren Anfang des 20. Jahrhunderts geschminkte Lippen die Insignien der amerikanischen Frauenbewegung, der Lippenstift das Symbol weiblicher Unabhängigkeit. Heute haben wir das Privileg ihn ohne Hintergedanken benutzen zu könne, er dient einfach nur der äußeren Zierde. Nicht mehr und nicht weniger.

Und jetzt gehe ich zum Frühstücksbuffet und hole mir eine Portion Spiegeleier.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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