Frauensache Die Schleiereulen-Liebhaber des DFB

Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 wurde die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zum Verfassungsgrundsatz erklärt - im Fußball aber galten lange Zeit andere Gesetzmäßigkeiten.

Eigentlich lohnt es sich gar nicht, die Deutschlandfähnchen und schwarz-rot-goldenen Autospiegel-Überzieher einzupacken, denn nach der WM ist vor der WM: Im Sommer 2015 werden in Kanada Deutschlands Fußballfrauen um den Weltmeistertitel kicken, ihre Qualifikation ist so gut wie sicher. Als zweifache Weltmeister sowie achtfache Europameister (zuletzt 2013) sind die Nationaldamen den Nationalherren durchaus ebenbürtig.

Selbst die ungeschriebene Regel, möglichst bescheuerte WM-Maskottchen zu wählen, wird im Frauen- und Männerfußball gleichberechtigt umgesetzt: Auf das brasilianische Kugelgürteltier Fuleco folgt nun die kanadische Schneeeule Shuéme, laut Fifa "von Kopf bis Fuß eine sportliche, elegante und moderne Eule" (eine unmoderne Eule wäre vermutlich die Schleiereule), deren "modische Frisur Selbstvertrauen und Stolz" verströme. Das klingt mehr nach "Brigitte"-Frisuren-Special als nach internationalem Profifußball, aber geschenkt. Schließlich musste Goleo - Sie erinnern sich, der Löwe von 2006 - ohne Hose auskommen, was auch nicht schön war.

Der Frauenfußball erzählt einiges über die gesellschaftliche Wahrnehmung von Weiblichkeit und ist ein Stück bundesdeutscher Emanzipationsgeschichte. Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 wurde die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zum Verfassungsgrundsatz erklärt - im Fußball aber galten andere Gesetzmäßigkeiten. 1955 beschloss der DFB ein Kickverbot für Frauen: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Damals saßen im DFB wohl lauter Schleiereulen-Liebhaber. Erst 1970 wurde Frauenfußball offiziell erlaubt, in den Köpfen aber blieb Kicken Männersache. Wim Thoelke, damals Sportmoderator beim ZDF, kommentierte ein Länderspiel der Damen so: "Ja, und decken, decken, nicht Tischdecken, Mann decken. Frei von allen kleinlichen Sorgen um Haushalt, Mann und Kinder spielt der Libero da hinten." Das mit dem Haushalt und Tischdecken sollte im Frauenfußball noch eine Weile vorhalten: 1989, als die Damennationalelf erstmals den Europameistertitel holte, bekamen die Siegerinnen vom DFB als Prämie ein Kaffeeservice und ein Bügelbrett überreicht.

Mittlerweile ist das Brett vor dem Kopf weg: Das EM-Finale der Frauen im vergangenen Jahr verfolgten vor den Bildschirmen allein in Deutschland fast neun Millionen Zuschauer, und als Siegprämie gab es für jede Spielerin 22 500 Euro.

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(RP)
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