Umstrittene Regelung Köhler unterschreibt Luftsicherheitsgesetz - mit Bedenken

Berlin (rpo). Bundespräsident Horst Köhler hat das Luftsicherheitsgesetz unterzeichnet. Gleichzeitig meldete er jedoch verfassungsrechtliche Bedenken zu einzelnen Bestimmungen an und machte damit den Weg frei für eine Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Unionsfraktion reagierte umgehend mit der Ankündigung, sie wolle kommende Woche über eine Klage beraten.

Berlin (rpo). Bundespräsident Horst Köhler hat das Luftsicherheitsgesetz unterzeichnet. Gleichzeitig meldete er jedoch verfassungsrechtliche Bedenken zu einzelnen Bestimmungen an und machte damit den Weg frei für eine Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Unionsfraktion reagierte umgehend mit der Ankündigung, sie wolle kommende Woche über eine Klage beraten.

Das Gesetz, das die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen im Luftverkehr erhöhen soll, erlaubt im Extremfall den Abschuss eines Passagierflugzeugs, falls es von Terroristen als Waffe benutzt wird. Es entstand vor dem Hintergrund der Anschläge vom 11. September 2001.

Der Bundespräsident machte in Briefen an den Bundeskanzler und die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat seine Bedenken im einzelnen deutlich. Sie betreffen insbesondere die Frage, ob es erlaubt sein kann, in letzter Konsequenz ein Passagierflugzeug zur Abwehr einer Bedrohung abzuschießen und damit den Tod Unbeteiligter in Kauf zu nehmen. Köhler warf auch die Frage auf, ob es verfassungsgemäß ist, die Bundeswehr zur Amtshilfe einzusetzen und nicht gleichzeitig der Leitung der zuständigen Landesbehörden zu unterwerfen.

Dass er das Gesetz trotzdem unterzeichnete, begründete der Bundespräsident damit, dass er "die übrigen Vorschriften des Gesetzes wegen der gesteigerten Bedrohungslage für dringend erforderlich" halte. "Zugleich mache ich mit dieser Entscheidung den Weg frei für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung."

In der Geschichte der Bundesrepublik haben Bundespräsidenten sechs Mal Gesetze trotz verfassungsrechtlicher Bedenken unterzeichnet. Der jüngste Fall war das Zuwanderungsgesetz, das der damalige Bundespräsident Johannes Rau 2002 zwar unterzeichnete. Er hatte sich aber gleichzeitig für eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Zustandekommens ausgesprochen. Die Karlsruher Richter kippten das Gesetz später.

Bosbach teilt Köhlers Ansicht

Die Unionsfraktion im Bundestag will in der kommenden Woche über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht beraten. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Wolfgang Bosbach sagte der AP, die Entscheidung werde aber erst nach Abstimmung mit den unionsregierten Ländern fallen. Bosbach sagte, er teile die Bedenken.

Eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Gesetzes sei "nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig". Im Interesse der Einsatzleitung und Soldaten der Luftwaffe brauche diese wichtige Neuregelung eine sichere verfassungsrechtliche Grundlage. "In einer Situation, in der es um Leben oder Tod geht, kann man sich nicht in einer verfassungsrechtlichen Grauzone bewegen."

Die Bundestagsfraktion der Union kann eine Normenkontrollklage in Karlsruhe einreichen, um überprüfen zu lassen, ob die gesetzlichen Regelungen im Einklang mit dem Grundgesetz stehen.

Bundesregierung weist Bedenken zurück

Die Bundesregierung weist die verfassungsrechtlichen Bedenken von Bundespräsident Horst Köhler gegen das Luftsicherheitsgesetz zurück. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte am Mittwoch in Berlin nach einer Kabinettssitzung, die Regierung respektiere zwar die Bedenken Köhlers. "Wir halten sie aber für falsch", fügte Schily hinzu. Die Regierung sei der Ansicht, dass sie sich mit dem Gesetz auf "sicherem verfassungsrechtlichen Boden" bewege.

Schily bezeichnete Köhlers Annahme als "irrig", dass mit dem Gesetz "Leben gegen Leben" abgewogen werde. Eine solche Abwägung wäre ein klarer Verfassungsverstoß. Der mögliche Abschuss eines Flugzeuges beziehe sich einen Fall, bei dem davon ausgegangen werde, dass die Menschen in der Maschine auf jeden Fall zu Tode kommen, der zusätzliche Tod von vielen Menschen aber verhindert werden könne. Dies hätten in einer parlamentarischen Anhörung auch alle Sachverständigen vertreten. Deshalb seien die Annahmen des Bundespräsidenten an diesem Punkt falsch.

Schily begrüßte dennoch, dass Köhler das Gesetz unterzeichnet habe. Der Bundespräsident habe ja keinen eindeutigen Verfassungsverstoß festgestellt. Es sei auch das gute Recht des Staatsoberhauptes, verfassungsrechtliche Bedenken zu äußern. Dass Köhler zum Gang vor das Bundesverfassungsgericht aufrufe, sei allerdings ein "Schlenker", der "nicht ganz der Übung entspricht". Schily stellte aber klar, dass dies nicht als Kritik am Bundespräsidenten zu verstehen sei.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort