Interview mit SPD-Vize-Chefin Schwesig Hartz IV: "Wir kommen nur im Schneckentempo voran"

Düsseldorf (RP). SPD-Vize Manuela Schwesig sprach mit unserer Redaktion über die zähen Verhandlungen über einen Hartz-IV-Kompromiss und ihre Vorstellungen zur Zukunft der Pflegeversicherung.

Manuela Schwesig – SPD-Frau und Ministerpräsidentin von MV
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Das ist Manuela Schwesig

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Foto: dpa/Jens Büttner

Werden Sie der Hartz-IV-Reform am 11. Februar im Bundesrat zustimmen?

Schwesig Das hängt von Union und FDP ab. Wir halten daran fest, dass wir am 11. Februar im Bundesrat ein Gesetz zu Hartz-IV verabschieden wollen, das echte Verbesserungen enthält.

Sind sie zufrieden mit dem Verlauf der Verhandlungen?

Schwesig Zufrieden bin ich damit, dass in allen drei Bereichen, die für uns wichtig sind, Bildung, Nachvollziehbarkeit des Regelsatzes und Mindestlohn, Gespräche geführt werden. Allerdings kommen wir nur im Schneckentempo voran. In den kommenden Wochen muss es schneller voran gehen.

Wo hakt es?

Schwesig Union und FDP müssen sich in ihren eigenen Reihen sortieren. Das gilt besonders für das Thema Mindestlohn. Da gab es im Vorfeld große Versprechungen, dass es zumindest eine Einigung gibt, in der Zeitarbeit den Mindestlohn einzuführen. Leider haben wir jetzt in den Verhandlungen erlebt, dass sich Union und FDP in diesem Punkt nicht einig sind. Die FDP hat ein Angebot vorgelegt, das die Situation der Menschen verschlechtert. Wir wollen das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für Stamm- und Leihbelegschaften durchsetzen. Da erwarten wir einen neuen Vorschlag von der anderen Seite.

Gibt es auch Fortschritte?

Schwesig Beim Thema Bildung sehe ich eine Annäherung. Es ist uns gelungen, Union und FDP davon zu überzeugen, dass wir das Bildungspaket auch auf Geringverdiener ausdehnen.

Auch beim Thema Jugend- und Schulsozialarbeite zeigt sich Arbeitsministerin von der Leyen nun gesprächsbereit. Wenn sie bis zum 11. Februar keine Einigung finden, dann wird die SPD als Blockierer dastehen

Schwesig Es sind CDU und FDP, die blockieren. Wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Wir wollen für die Betroffenen das Beste, was machbar ist, rausholen. Die Erhöhung des Regelsatzes von fünf Euro könnte Frau van der Leyen auf jeden Fall schon jetzt auszahlen, wie auch jetzt schon die Leistungen des Regelpakets an die Kinder kommen könnten. Sie will es nur nicht. Die Erhöhung der Regelsätze wird aber in jedem Fall nachgezahlt.

Bei der Pflegeversicherung lehnt die SPD den Aufbau einer kapitalgedeckten Säule zur Vorsorge für die Zukunft ab. Warum?

Schwesig Eine kapitalgedeckte Pflegeversicherung würde nach unseren Berechnungen dazu führen, dass der Pflegebeitrag schnell ansteigen würde. Eine ergänzende Zusatzversicherung von zehn bis 20 Euro pro Monat käme daher einer sofortigen Beitragssatzsteigerung des Arbeitnehmeranteils von derzeit 0.975 Prozent auf dann 1,4 bis 1,8 Prozent gleich. Viele könnten sich diese Privatversicherung nicht leisten, beispielsweise auch die Pflegekräfte von heute. Das wäre der Einstieg in die Zwei-Klassen-Pflege und das wollen wir nicht.

Was wollen Sie anders machen?

Schwesig Dazu werden wir bei unserer Klausur heute und morgen ein Sechs-Punkte-Programm vorlegen. Besonders wichtig ist mir, die Pflege in der Qualität zu stärken. Wir müssen weg von der Minutenpflege hin zu einer menschenwürdigeren Pflege, die auch die Demenzkranken berücksichtigt. Dafür benötigen wir gut ausgebildete und gut bezahlte Pflegekräfte. Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege muss auch verbessert werden. Zum Einen mit einer kurzen Pflegeauszeit von 10 Tagen für den akuten Pflegefall in der Familie. Diese Möglichkeit hat die SPD bereits eingeführt und soll nun weiterentwickelt werden als Lohnersatzleistung analog zum Krankengeld bei Kindeserkrankung. Zum Anderen wollen wir für Berufstätige, die Angehörige zu Hause pflegen eine bessere soziale Absicherung. Die Pflegearbeit muss von der Gesellschaft ähnlich anerkannt werden wie die Erziehungsarbeit durch das Elterngeld. Dazu werden wir ein konkretes Konzept vorlegen.

Wie wollen Sie das finanzieren?

Schwesig Auch für die Pflege brauchen wir eine Bürgervesicherung, in die alle nach ihrem Einkommen einzahlen. Die privaten Pflegeversicherungen bilden heute Überschüsse von rund einer Milliarde Euro jährlich. Die würden einer Bürgerversicherung sehr nutzen.

Das Gespräch führte Eva Quadbeck.

(RP)
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