Interview mit Verkehrsminister Peter Ramsauer "Die Bahn hat jeden Euro nötig"

Düsseldorf (RP). Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sprach mit unserer Redaktion über das Winterchaos, die Zukunft der deutschen Bahn und darüber, was die Bundesregierung gegen die zahllosen neuen Schlaglöcher in den Straßen zu tun gedenkt.

So bekämpft Ramsauer Anglizismen
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Foto: AP

Mehr Investitionen in neue Züge und Waggons und mehr Reserven für die Bahn hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer als Konsequenz aus dem Winter-Fiasko im Gespräch mit unserer Redaktion angekündigt. Beim Straßenbau will er umschichten und mehr Geld für den Bestandserhalt abgefahrener Strecken ausgeben. Das Interview.

Wie wird die Bahn wieder flott?

Ramsauer Vor der Zeit von Bahnchef Grube und mir hat auf der Bahn ein massiv überzogener Kosten- und Spardruck gelastet. Es ist Personal abgebaut worden, Wartungsstätten sind geschlossen, Wartungsintervalle gestreckt worden. Die Bahn wurde in vielen Bereichen buchstäblich auf Verschleiß gefahren. Zehn Jahre lang wurde nur weggespart. Wir müssen wieder richtig investieren und wieder Reserven aufbauen.

Das wussten Sie auch schon vor Monaten. Trotzdem ist die Bahn in ein Winter-Fiasko gefahren.

Ramsauer Die Bahn hat sich nachweislich auf den Winter vorbereitet und Reserven unter anderem bei den Mitarbeiter-Kapazitäten und beim rollenden Material erarbeitet. Jetzt zeigt sich, dass das nicht genug war. Wir müssen aber auch sehen, dass es gegen die Widrigkeiten des Wetters keinen Vollkaskoanspruch gibt. Zudem hat die Bahn im großen Stil zusätzlichen Ersatzverkehr übernehmen müssen, weil viele Flüge ausgefallen sind und auch der Straßenverkehr nicht kalkulierbar war. Gleichzeitig hatte auch die Bahn mit erheblichen Wetterproblemen zurecht zu kommen. Als drittes kommen technische Bedingungen hinzu.

Wie meinen Sie das?

Ramsauer Wenn eine Oberleitung einfriert, dann macht das einer Diesellok, die mit 160 Stundenkilometern vor sich hinfährt, überhaupt nichts. Einen ICE legt's dann aber lahm. Moderne Hochgeschwindigkeitssysteme sind nun einmal anfälliger als robustere, langsamere Systeme. Von den ICE gehen Eisbrocken ab, die Züge können durch hochfliegenden Schotter beschädigt werden. In einer einzigen Winterwoche hatten wir allein 30 ICE-Ausfälle nur aus diesem Grund. Das hat die gesamte Kapazität noch mal verengt. Zusatzverkehr, Wintereinflüsse, langsamere Geschwindigkeiten - das hat sich alles aufsummiert. Aber natürlich kann man da vieles besser machen.

Wo wollen Sie investieren?

Ramsauer Vor allem in besseres Material. Wir sind zum Beispiel dabei, viele Radachsen umzurüsten. Von den Weichen bis zu den Toiletten muss nachgerüstet werden. Ganz wichtig sind die Kapazitäten. Da ist die Bahn an die letzten Reserven herangegangen. Das geht so nicht weiter. Und dann haben wir das Sonderproblem S-Bahn-Berlin. Das dauernde Herumflicken führt uns nicht weiter. Hier müssen wir in zukunftsfähiges neues Material investieren.

Das klingt danach, als hätte die Bahn jeden Euro nötig.

Ramsauer Das ist so! Die Bahn hat jeden Euro nötig!

Trotzdem bestehen Sie auf einer Dividende für den Bundeshaushalt.

Ramsauer Es ist völlig normal, dass der Eigentümer einen Teil dessen, was sein Betrieb erwirtschaftet, als Dividende beansprucht. Das ist so vom Kabinett beschlossen worden. Die Dividende wird im Übrigen nach dem berechnet, was nach allen notwendigen Ausgaben und Investitionen als Gewinn übrig ist. Natürlich muss das erst erwirtschaftet und von der Hauptversammlung beschlossen werden.

Die Hauptversammlung sind Sie!

Ramsauer Eben. Die Haushälter beschließen die Einnahmen, aber bevor das Geld kommt, muss es erst ökonomisch und aktienrechtlich sauber zur Verfügung stehen. Darauf bestehe ich.

Es beginnt zu tauen, die Schlaglöcher tauchen auf. Zeit für ein neues Sonderprogramm?

Ramsauer Auch hier sieht man, was passiert, wenn über Jahre hinweg auf Verschleiß gefahren wird. Das rächt sich langfristig ganz, ganz bitter. Das weiß ich als Politiker und als gelernter Betriebswirt. Die Auswirkungen dieser grundsätzlich falschen Politik lassen sich nicht in ein, zwei Jahren ungeschehen machen. Wir haben auf Bundesebene vorgesorgt, trotz der eisernen Sparvorgaben und Auslaufen der Konjunkturpakete haben wir dieses Jahr 2,2 Milliarden Euro für den Erhalt der Bundesverkehrswege — 100 Millionen mehr als letztes Jahr.

Was ist für Sie daraus die Konsequenz?

Ramsauer Das bedeutet, dass wir wesentlich mehr in die Bestandserhaltung investieren. Erhalt geht vor Neubau. Was nutzt uns die schönste neue Straße, wenn die bestehenden vor die Hunde gehen? Wir werden hier verstärkt umschichten und auch neue Wege der Finanzierung erschließen müssen. Schiene und Straße sind verheerend unterfinanziert. Wir stecken in einem massiven Finanzierungsdilemma. Das müssen wir endlich ehrlich beim Namen nennen.

Neue Wege der Finanzierung? Welche meinen Sie?

Ramsauer Ich kämpfe zum Beispiel um deutlich mehr Projekte, die in öffentlich-privater Partnerschaft finanziert werden. Und ich kämpfe dafür, dass wir möglichst schnell die Lkw-Maut auch auf vierstreifige Bundesstraßen ausdehnen. Das sind mindestens 2000 zusätzliche Kilometer.

Als Vorstufe zur Pkw-Maut?

Ramsauer Nein, es geht darum, die Güterverkehre mit der LKW-Maut am Erhalt der Straßen zu beteiligen. Aber es ist schon lustig: Früher wurde ich immer gefragt, warum überhaupt jemand die Pkw-Maut will. Inzwischen werde ich gefragt: Warum führen Sie die Pkw-Maut nicht ein?

Und was antworten Sie?

Ramsauer Dass es in meinem Haus keine Denkverbote gibt, aber dass ich keinen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag habe, diese einzuführen.

Mit dem Bundesverkehrsminister sprach Gregor Mayntz

(RP)
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