Debatte um Wulffs Ruhegeld Altbundespräsident Scheel fordert Verzicht auf Ehrensold

Berlin · Altbundespräsident Walter Scheel und eine große Mehrheit der Deutschen verlangen vom zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, auf sein Ruhegeld zu verzichten. Unterdessen geht das Ringen um einen Nachfolger Wulffs weiter.

 Altbundespräsident Walter Scheel rät dem zurückgetretenen Christian Wulff, den Ehrensold nicht anzunehmen.

Altbundespräsident Walter Scheel rät dem zurückgetretenen Christian Wulff, den Ehrensold nicht anzunehmen.

Foto: ddp, ddp

Scheel sagte der "Bild am Sonntag", er hoffe, dass Wulff "klug genug" sei, auf den sogenannten Ehrensold von derzeit 199.000 Euro im Jahr zu verzichten. "Damit könnte er beim deutschen Volk verlorenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen", sagte Scheel.

In einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Zeitung forderten auch 78 Prozent der Befragten, dass Wulf auf die lebenslangen Bezüge verzichten soll. Nur 19 Prozent hielten die Pension für angemessen. SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte in der Frage äußerste Transparenz. "Ob Christian Wulff seinen Ehrensold erhält oder nicht - diese Entscheidung muss die Regierung öffentlich und juristisch nachvollziehbar begründen", sagte Gabriel der Zeitung. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erklärte, er sehe "keinen Grund" für einen Verzicht.

Gabriel droht mit eigenem Kandidaten

Unmittelbar vor den geplanten Gesprächen von Regierung und Opposition zur Nachfolge von Christian Wulff hat SPD-Chef Sigmar Gabriel mit einem eigenen rot-grünen Kandidaten gedroht. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die schwarze-gelbe Koalition "keine ernsthaften Gespräche" mit der Opposition führten, "wären wir in der Pflicht, einen besseren Gegenvorschlag zu machen", sagte Gabriel der Zeitung "Bild am Sonntag" in einem Interview. Er hoffe aber nicht, dass es dazu komme.

Nachdrücklich warnte Gabriel die Kanzlerin vor machtpolitischer Taktik bei der Präsidentensuche: "Wir machen nicht mit, wenn wir nach der Methode Friss Vogel oder stirb von der Merkel-Koalition einen Kandidaten vorgesetzt bekommen", sagte er dem Blatt. Er erwarte von der Kanzlerin, "dass sie ohne Vorfestlegung ihrer Koalition auf einen Namen in die Gespräche mit uns geht."

Damit das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Parteien nicht weiter leide, müsse so schnell wie möglich ein Kandidat gefunden werden, forderte Gabriel. Aus Zeitdruck will er jedoch keine unnötigen Kompromisse schließen: "Bei der Kandidatensuche geht Qualität vor Schnelligkeit."

Scharf attackierte der SPD-Vorsitzende Merkels Verhalten: "Innerhalb eines Jahres sind es ihre persönlichen Personalentscheidungen, die alle bürgerlichen Werte wie Anstand, Ehrlichkeit und Pflichtbewusstsein im Amt ruiniert haben. Erst die Hochstapelei des Herrn zu Guttenberg und nun auch noch Christian Wulff", sagte er. Merkel habe Wulff so lange im Amt gelassen, bis die Staatsanwaltschaft vor der Tür gestanden habe.

54 Prozent wünschen sich Gauck als Staatsoberhaupt

Gut jeder zweite Deutsche wünscht sich einer Umfrage zufolge Joachim Gauck als Staatsoberhaupt. In der Emnid-Umfrage sprachen sich 54 Prozent für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler als neuen Bundespräsidenten aus. Unabhängig von der Person wünschten sich 79 Prozent der Befragten einen Kandidaten, der nicht aus dem Politikbetrieb kommt. Nur 16 Prozent gaben an, der Kandidat solle ein ausgewiesener Parteipolitiker sein.

Trotz der Rücktritte zweier Bundespräsidenten in zwei Jahren sind die meisten Deutschen weiterhin von der Relevanz des Amtes überzeugt. Auf die Frage, ob Deutschland einen Bundespräsidenten brauche, antworteten 69 Prozent mit Ja. Nur 30 Prozent waren der Meinung, Deutschland brauche keinen Bundespräsidenten. Für die Erhebung befragte Emnid am Freitag 500 Personen.

Nach wochenlanger Kritik wegen zinsgünstiger Kredite und umstrittener Kontakte zu Unternehmerfreunden war Christian Wulff am Freitag vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor beim Bundestag die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhaupts beantragt, um gegen Wulff ermitteln zu können - ein beispielloser Schritt in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Spitzen der Koalition wollten am Sonntag ihre Beratungen über mögliche Kandidaten fortsetzen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts der nur dünnen Mehrheit von Union und FDP in der Bundesversammlung das Ziel ausgegeben, gemeinsam mit SPD und Grünen einen Kandidaten zu finden.

(AFP/RTR)
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