Suche nach Nachfolger von Christian Wulff Kauder will keinen Kandidaten "von Gnaden der SPD"

Berlin · Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff hat die Debatte um die Nachfolge begonnen. Die drei Parteivorsitzenden der Koalition trafen sich noch am Freitagabend zu ersten Beratungen im Kanzleramt. Eine Stellungnahme gab es nicht. Heute soll die Runde erneut tagen. Die SPD wirbt für Joachim Gauck. Und hat damit Umfragen zufolge viele Deutsche hinter sich. Aus der CDU kommen kämpferische Töne.

 Am Freitagabend trafen sich die Spitzen der Koalition in Berlin. Eine Stellungnahme gab es nicht.

Am Freitagabend trafen sich die Spitzen der Koalition in Berlin. Eine Stellungnahme gab es nicht.

Foto: dapd, Sebastian Willnow

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hält die Wahl eines neuen Bundespräsidenten erneut nur mit einer schwarz-gelben Mehrheit für möglich. Die Koalition habe eine Mehrheit in der Bundesversammlung, sagte der CDU-Politiker "Bild am Sonntag". Einen Kandidaten "von Gnaden der SPD" werde es nicht geben.

Die SPD werde ein Mitglied des Bundeskabinetts für das höchste Staatsamt nicht mittragen, stellte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Freitagabend in einem ARD-"Brennpunkt" klar. Er betonte zugleich, den Vorschlag Joachim Gauck habe die SPD vor anderthalb Jahren für gut gehalten. "Und ich finde, er hat an seinen Qualitäten noch nichts verloren." Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler war bei der Bundespräsidentenwahl 2010 Wulff im dritten Wahlgang unterlegen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte "Bild am Sonntag", seine Partei werde in den Gesprächen mit Merkel für Gauck werben, auf ihrem Vorschlag aber nicht beharren. Die SPD habe in der Bundesversammlung keine eigene Mehrheit und deshalb habe Gauck nur eine Chance, wenn auch CDU/CSU und FDP ihn mittragen.

SPD und Grüne sehen sich im Vorteil

Bei der Suche nach einem Wulff-Nachfolger sehen sich SPD und Grüne gegenüber der Koalition im Vorteil. Merkel habe sich selbst beschädigt, weil sie ihren Parteifreund unbedingt als Bundespräsidenten haben wollte, sagte SPD-Fraktionsvize Florian Pronold "Handelsblatt Online". "Es rächt sich jetzt, dass Frau Merkel den SPD-Vorschlag, nach einem überparteilichen Kandidaten zu suchen, abgelehnt hat", sagte Pronold. "Die Kanzlerin muss diesen Fehler diesmal wieder gut machen."

Union und FDP hätten nun in der Bundesversammlung nicht mehr ausreichende Mehrheiten, um zum dritten Mal einen schwarz-gelben Kandidaten "durchzupauken", sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck "Handelsblatt Online". Daher sei Merkel gar nichts anderes übrig geblieben, als der Opposition Gespräche anzubieten.

Der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für den Aufbau Ost, Patrick Kurth, stellte sich ebenfalls hinter Gauck. "Ich finde Joachim Gauck als Kandidaten sehr sympathisch", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe). Auch der ehemalige Volkskammerpräsident Richard Schröder (SPD) komme in Betracht.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, sagte dem "Hamburger Abendblatt", es dürfe jetzt nicht um Parteitaktik bei der Suche nach einem Nachfolger Wulffs gehen. "Die Menschen brauchen vor allem wieder Vertrauen in das Amt des Präsidenten - und das bekommen sie mit einem Kandidaten Joachim Gauck. Ich würde ihn sofort wählen."

Linkspartei fordert Beteiligung an Kandidatensuche

Die Linkspartei fordert von Merkel eine Beteiligung an der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten. Das höchste Amt habe Schaden genommen und auch das Vertrauen in die Politik, sagte Parteichef Klaus Ernst unserer Redaktion. "Wenn der Schaden nicht tiefer werden soll, dann muss das Signal lauten, dass es miteinander und nicht gegeneinander geht."

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte dem "Hamburger Abendblatt", es sei hoffentlich nur ein Versehen der Kanzlerin gewesen, "die Linke nicht bei der Kandidatensuche zu nennen". Wenn man das Vertrauen in das Amt wiederherstellen wolle, "müssen wir das kleine Wunder vollbringen, gemeinsam eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden, der von der CSU bis zur Linken akzeptiert wird".

Mehrheit der Deutschen wünscht sich überparteilichen Kandidaten

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge einen überparteilichen Nachfolger Wulffs. In einem am Freitagabend veröffentlichen ARD-"Deutschlandtrend Extra" sprachen sich nur 31 Prozent für einen erfahrenen Parteipolitiker, 58 Prozent aber für einen überparteilichen Kandidaten aus.

Finanzminister Wolfgang Schäuble sähen nur 21 Prozent als gute Wahl. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kam auf 23 Prozent, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer und Verteidigungsminister Thomas de Maizière auf 25 Prozent. Für Bundestagspräsident Norbert Lammert (alle CDU) wären 34 Prozent. Gauck kam auf 43 Prozent.

(APD)
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