Wulff-Nachfolger Merkel kann sich keinen Fehler leisten

Berlin · Kanzlerin Angela Merkel wirkt gefasst, als sie ihr Statement zum Rücktritt des Bundespräsidenten abgibt. Doch der Rücktritt ist auch für die CDU-Chefin heikel. Denn bereits zwei ihrer persönlichen Kandidaten konnten in dem Amt nicht bestehen. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Christian Wulff erfordert daher auch von Merkel Fingerspitzengefühl. Eine Analyse.

 Die Kanzlerin hatte mit ihren beiden bisherigen Bundespräsidenten viel Pech.

Die Kanzlerin hatte mit ihren beiden bisherigen Bundespräsidenten viel Pech.

Foto: dpa, Sebastian Kahnert

Nur wenige Stunden nach dem Rücktritt von Christian Wulff ging die Suche nach einem geeigneten Nachfolger bereits hoch her. Am Samstag dann die ersten Namen - und die ersten Absagen. Der Präsident des Bundeverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, nach Informationen unserer Redaktion als Favorit gehandelt, sagte laut einem Agenturbericht ab, am späten Nachmittag dann offenbar auch Lammert. Und so werden die Spitzen von Union und FDP weiter ringen um den richtigen Namen. Von den Namen, die an diesem Samstag im Gespräch waren, ist nun noch der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber übrig geblieben.

Denn die Kanzlerin hatte in ihrem Statement klar gemacht, dass es einen Konsens-Kandidaten geben soll und offene Gespräche mit Rot-Grün angedacht seien. Ein kluger Schachzug, nachdem sie die Opposition bei den beiden vorherigen Amtsträgern nicht mit einbezogen hatte, beide aber zurückgetreten waren. Daher muss sie ihren Worten Taten folgen lassen, soll die Nachfolgersuche nicht zu ihrem persönlichen Problem werden. Merkel steht vor einer Gratwanderung.

Erfolgsverwöhnt auf EU-Ebene

Eigentlich waren die vergangenen Monate gut gelaufen für die Bundeskanzlerin. In der Euro-Krise gibt sie den führenden Ton an, und angesichts der starken deutschen Wirtschaft kann sie sich fast immer auch auf europäischer Ebene durchsetzen. Ein Erfolg, der Vorbild ist, schaut man sich etwa den französischen Präsidenten an. Nicolas Sarkozy setzt auf das "Modell Merkel" in seinem bevorstehenden Wahlkampf.

Doch während Merkel auf EU-Ebene einen Erfolg nach dem anderen feiert, brodelte es in Deutschland angesichts der Bundespräsidenten-Affäre gewaltig. Der Kanzlerin selbst schien das angesichts guter Umfragewerte für sie persönlich aber nichts anhaben zu können, auch wenn sie Wulff mehrmals ihre Unterstützung versichert hatte. Denn viele Wähler sehen in Merkel das Gegengewicht von Wulff - eine Kanzlerin ohne Affären, die sich in die Arbeit stürzt.

Das könnte nun anders werden. Denn Merkel muss nun ungewollt den dritten Anlauf wagen in Sachen Bundespräsident. Sowohl Horst Köhler als auch Christian Wulff mussten zurücktreten. Und gerade die Causa Wulff hat enormen Schaden am Amt des Bundespräsidenten hinterlassen.

Dabei war es aber vor allem Wulff, den Merkel unbedingt durchsetzen wollte in der vergangenen Bundesversammlung - gegen jeglichen Widerstand in der Opposition. Denn Köhler war zu unbequem, hatte Gesetze nicht unterschrieben und Schwarz-Gelb mehrfach kritisiert. Das wollte die regierende Koalition künftig vermeiden. Wulff als treuer CDU-Politiker schien da geradezu ideal.

Ein Wahldebakel bei Wulff

Doch schon die Wahl Wulffs war fast zu einem Debakel geworden, einen dunklen Fleck auf der Wulffschen Weste hatte sie auf jeden Fall hinterlassen. Denn erst im dritten Anlauf konnte Wulff zum Präsidenten gewählt worden, der von der Opposition (mit Ausnahme der Linken) aufgestellte Kandidat Joachim Gauck war von vielen Wulff vorgezogen worden.

Eine solche Blamage will und kann sich Merkel nicht noch einmal erlauben, will sie nicht an Ansehen innerhalb ihrer eigenen Partei, aber auch als Kanzlerin verlieren. Und so ging sie sofort auf die Opposition zu, schließlich hat Schwarz-Gelb im Gegensatz zu Zeiten der Wulff-Wahl auch nur noch eine hauchdünne Mehrheit in der Bundesversammlung. Die Gefahr eines Scheiterns ist also groß für Schwarz-Gelb, nachdem die Koalition bereits die Mehrheit im Bundesrat verloren hat.

Dementsprechend Druck kommt auch vonseiten der Opposition, die auf eine umfassende Mitsprache pocht, auch den vormaligen Kandidaten Gauck nach wie vor als persönlichen Favoriten ansieht und deutlich macht, dass sie keinen "Parteisoldaten" - so wie es Wulff war - mittragen werde.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier jedenfalls machte klar, dass sie bereit sei, einen schwarz-gelben Kandidaten mitzutragen, wenn die Koalition "keinerlei Vorfestlegungen treffe". Und SPD-Chef Sigmar gabriel sagte im Deutschlandfunk ganz deutlich: "ich hoffe, dass Frau Merkel aus ihrem Schaden klug geworden ist".

Ein möglicher Streitfall

So oder so - Merkel wird auf das Wohlwollen vor allem der Sozialdemokraten angewiesen sein. Und genau das könnte die Position der Kanzlerin vor allem in den eigenen Reihen schwächen, zumindest könnte es Streit provozieren. Denn schließlich regiert in Berlin noch immer Schwarz-Gelb und nicht die Große Koalition.

Einen Kandidaten ganz nach Gusto der Koalition durchdrücken zu wollen, das dürfte die CDU-Chefin angesichts der Erfahrungen mit den vergangenen beiden Amtsinhabern wohl kaum noch ein drittes Mal wagen. Namen jedenfalls für die Wulff-Nachfolge stehen bereits eine Menge im Raum.

Am Ende könnte von Merkels Gratwanderung vielleicht ein unparteiischer Kandidat profitieren, einer, der es schafft, die Kratzer am Amt, die Wulff hinterlassen hat, schnell zu beseitigen. Wer das aber sein wird, scheint im Augenblick noch in den Sternen zu stehen.

(das)
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