Amtsenthebungsverfahren Trumps Verteidigung erlebt eine erste Schlappe

Washington · Schmal ist die Chance auf einen Schuldspruch gegen Ex-Präsident Donald Trump. Trotzdem versucht die Verteidigung, das Verfahren im Senat komplett zu verhindern - und schafft damit unversehens eine Präzedenz.

 Jamie Raskin (2.v.r.) durchquert mit anderen Impeachment-Managern die Rotunde des Kapitols auf dem Weg zum Verfahren gegen Donald Trump.

Jamie Raskin (2.v.r.) durchquert mit anderen Impeachment-Managern die Rotunde des Kapitols auf dem Weg zum Verfahren gegen Donald Trump.

Foto: AP/Alex Brandon

Die US-Senatoren haben dafür gestimmt, das Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump fortzuführen. Damit stellten sich die Senatoren mit 56 zu 44 Stimmen gegen den Versuch, das Verfahren zu stoppen, weil der 74-Jährige inzwischen nicht mehr im Amt sei. Dieses Ansinnen hatten die Verteidiger Trumps sowie mehrere Trump-Vertraute unter den US-Senatoren verfolgt. Der Auftritt der Verteidiger des früheren US-Präsidenten rief scharfe Kritik hervor - unter republikanischen Senatoren. Bei der Abstimmung zum Auftakt am Dienstag ging es um die Frage, ob der Senat in dem Fall zuständig ist.

Geklärt werden soll in dem Amtsenthebungsverfahren, welche Rolle der frühere Präsident bei dem Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar spielte, als dort der Wahlsieg seines Nachfolgers Joe Biden bestätigt werden sollte. Trump ist im Senat wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ angeklagt.

Der historische zweite Impeachment-Prozess gegen Trump begann am Dienstag mit schockierenden Videoaufnahmen, einem emotionalen Plädoyer der Ankläger und einer aggressiven Verteidigung. Die Ankläger der Demokraten führten zum Prozessauftakt im Senat Videobilder vor, die die große Brutalität von Trump-Anhängern bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar zeigen. Zum Abschluss des ersten Verhandlungstags stuften die Senatoren den Prozess mehrheitlich als verfassungskonform ein.

Die Demokraten machten gleich zu Beginn des Prozesses deutlich, dass sie auf die Macht der Bilder setzen: Der Abgeordnete und Anklageführer Jamie Raskin führte ein knapp 15-minütiges Video mit Aufnahmen vom 6. Januar vor.

Es zeigt, wie Trump seine Anhänger in einer Rede zum Marsch auf das Kapitol auffordert - einschließlich der Aufforderung, auf "Teufel komm raus zu kämpfen" -, wie dann ein Mob gewaltsam das Kapitol stürmt und dabei Polizisten attackiert und wie Parlamentarier in Sicherheit gebracht werden müssen.

"Deswegen hat das Repräsentantenhaus am 13. Januar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet", sagte Raskin im Senatsplenum, in das die Trump-Anhänger vor rund einem Monat ebenfalls eingedrungen waren. "Wenn das kein Vergehen ist, das ein Impeachment verdient, dann gibt es keins."

Mit tränenerstickter Stimme schilderte Raskin, wie er selbst die Kapitol-Erstürmung erlebte, und wie er sich um seine Tochter und seinen Schwiegersohn Sorgen machte, die sich ebenfalls im Kapitol aufhielten. Das Schlagen der Eindringlinge an die Türen sei der "gespenstischste Lärm, den ich jemals gehört habe", sagte der Abgeordnete. "Das darf nicht die Zukunft Amerikas sein."

Die Demokraten machen Trump für die Kapitol-Erstürmung mit fünf Toten verantwortlich und haben deswegen ein Amtsenthebungsverfahren wegen Anstiftung zum Aufruhr eingeleitet. Am ersten Prozesstag ging es um die verfassungsrechtliche Frage, ob der Senat Trump überhaupt den Prozess machen kann. Trumps Anwälte argumentieren, das Verfahren sei verfassungswidrig: Der Senat könne nur über amtierende, nicht aber über frühere Präsidenten urteilen.

Anklageführer Raskin wies dies entschieden zurück: Es gebe keine "Januar-Ausnahme", sagte der Abgeordnete mit Blick auf den letzten Amtsmonat eines jeden Präsidenten. Ansonsten könnten Präsidenten ohne Furcht vor Konsequenzen in ihren letzten Amtstagen gegen die Verfassung verstoßen - und beispielsweise versuchen, sich nach einer Abwahl gewaltsam an der Macht zu halten.

Auch mehrere republikanische Senatoren erklärten am Dienstag (Ortszeit), sie hätten die von Trumps Anwälten vorgebrachten Argumente, das Verfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verwerfen, nicht nachvollziehen können. Die Senatoren stuften den Prozess schließlich mit einer Mehrheit von 56 zu 44 als verfassungskonform ein. Neben den 50 Senatoren der Demokraten stimmten dabei auch sechs Republikaner für eine Fortsetzung des Verfahrens.

Die Abstimmung machte aber erneut deutlich, dass eine Verurteilung Trumps nahezu ausgeschlossen ist: Für einen Schuldspruch ist im Senat eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Deswegen müssten mindestens 17 Republikaner für eine Verurteilung stimmen. Die Demokraten hoffen trotzdem auf eine Verurteilung Trumps und wollen in der Folge eine lebenslange Ämtersperre für den 74-Jährigen erreichen.

Trump-Anwalt Bruce Castor warf den Demokraten vor, sie hätten das Impeachment-Verfahren nur angestrengt, weil sie Trump "in der Zukunft nicht als politischen Rivalen haben wollen". Trumps zweiter Anwalt David Schoen sagte, die Demokraten würden damit 74 Millionen Menschen "entrechten", die bei der Präsidentschaftswahl vom vergangenen November für Trump gestimmt hätten. Dass die Mehrheit von mehr als 81 Millionen Menschen für US-Präsident Joe Biden gestimmt hatte, erwähnte er nicht.

Castor hingegen gestand ein, dass Trump die Präsidentschaftswahl verloren hat, was Trump selbst bestritten hat. „Das amerikanische Volk ist schlau genug, um eine neue Regierung auszuwählen, wenn es die alte nicht mag. Und es hat dies gerade getan“, sagte in seinen einleitenden Worten. Später sagte er über Trump: „Er wurde von den Wählern entfernt.“

Beide Anwälte setzten auf eine aggressive Rhetorik. Castor bezeichnete die Argumente der Demokraten an einer Stelle als "Unsinn". Der Anwalt argumentierte allerdings selbst stellenweise schwer nachvollziehbar - und sorgte damit auch unter republikanischen Senatoren für Stirnrunzeln.

Der republikanische Senator Bill Cassidy aus Louisiana, der mit den Demokraten für die Fortsetzung stimmte, erklärte, Trumps Team habe einen „schrecklichen Job“ gemacht. Die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine, die ebenfalls mit den Demokraten stimmte, zeigte sich besonders irritiert von Verteidiger Bruce Castor: Dieser habe „überhaupt keine“ Argumente vorgebracht, was eine „ungewöhnliche Herangehensweise“ sei.

Auch einer der engsten verbündeten Trumps, der texanische Senator Ted Cruz (Republikaner), fand keine lobenden Worte für die Verteidiger. Er glaube nicht, dass diese besonders effektiv gearbeitet hätten. Dafür lobte er die Rede des Repräsentantenhausabgeordneten und Impeachment-Managers Jamie Raskin als „beeindruckend“. Cruz stimmte dennoch gegen die Zuständigkeit des Senats.

Anklage und Verteidigung werden von Mittwoch an jeweils zwei Tage Zeit bekommen, auf die konkreten Vorwürfe gegen Trump einzugehen. Der Prozess könnte schon kommende Woche enden und damit in Rekordzeit über die Bühne gehen.

Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Der Rechtspopulist ist zudem der erste frühere Staatschef der USA, der sich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einem Impeachment-Prozess stellen muss.

US-Präsident Joe Biden will das Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Vorgänger nach Angaben des Weißen Hauses weitgehend ignorieren und sich stattdessen auf die Corona-Pandemie konzentrieren. Biden werde sich das Verfahren nicht anschauen und nicht über den Ausgang sinnieren, teilte Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses mit. Der Präsident übt sich mit Blick auf das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump seit Wochen in Zurückhaltung.

(peng/AFP/dpa)
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