Massenproteste in Prag Hunderttausende Tschechen fordern Rücktritt von Regierungschef Babis

Prag · Beim größten Massenprotest seit 30 Jahren fordern tschechische Demonstranten den Rücktritt von Regierungschef Babis und Justizministerin Benesova. Die Organisatoren sprechen von 250.000 Teilnehmern.

 Ein Kind schwenkt bei der größten Demonstration in Prag seit 30 Jahren Flaggen.

Ein Kind schwenkt bei der größten Demonstration in Prag seit 30 Jahren Flaggen.

Foto: dpa/Petr David Josek

Die Proteste gegen den tschechischen Regierungschef Andrej Babis haben eine neue Dimension erreicht. Mehrere hunderttausend Menschen aus dem ganzen Land versammelten sich am Sonntag am Letna-Park in der Hauptstadt Prag und forderten den Rücktritt des Ministerpräsidenten, dem eine Anklage wegen des Verdachts auf missbräuchliche Verwendung von EU-Subventionen droht. Die Kundgebung in Prag war die größte seit der Samtenen Revolution 1989, die die Tschechoslowakei in die Demokratie führte. Auf Luftbildern sehe es aus, als seien rund 250.000 Menschen auf der Straße, sagte Mikulas Minar von der Nichtregierungsorganisation "Eine Million Momente für die Demokratie", die zu dem Massenprotest aufgerufen hatte. Schätzungen der Polizei zur Teilnehmerzahl lagen zunächst nicht vor.

Teilnehmer der Kundgebung sagten, sie seien anders als die Menschen vor 30 Jahren nicht gekommen, um ein politisches System zu stürzen, sondern um es zu schützen. Babis sei eine Gefahr für die Demokratie und die Unabhängigkeit der Justiz. „Die derzeitige Situation ist inakzeptabel“, sagte einer der Organisatoren, Benjamin Roll.

Dem Milliardär Babis wird vorgeworfen, als Unternehmer jahrelang unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert zu haben. Ein vorläufiger Bericht der EU-Kommission kam zu dem Schluss, dass Babis in einem Interessenskonflikt stand, weil er als Ministerpräsident immer noch seine Unternehmen kontrollierte, die diese Subventionen erhielten. Babis sollte nach Einschätzung der Rechnungsprüfer deshalb 17,5 Millionen Euro zurückzahlen. Unabhängig davon wird Babis auch in einem anderen Fall Subventionsbetrug vorgeworfen. Der 64-Jährige weist alle Anschuldigungen von sich und weigert sich zurückzutreten.

Die Demonstranten forderen nicht nur den Rücktritt von Babis, sondern auch von Justizministerin Marie Benesova, die einen Antrag der Polizei ablehnte, die parlamentarische Immunität des Ministerpräsident aufzuheben, um ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten.

„Ich habe genug von der Regierung“, sagte die 18-jährige Studentin Natalie Bartkova bei der Kundgebung. „Babis scheint zu denken, er könne sich alles erlauben.

Seit Ende April wird in Prag und anderen Städten in Tschechien demonstriert. Vor zwei Wochen hatten zehntausende Demonstranten in Prag Babis’ Rücktritt gefordert. Damals beteiligten sich in der Hauptstadt nach Angaben der Veranstalter 120.000 Demonstranten.

(juju/dpa/ap)
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