Wegen Corona-Pandemie Grüner EU-Abgeordneter warnt vor Katastrophe auf Lesbos

Berlin · Die Lage in den griechischen Flüchtlingslagern spitzt sich angesichts der Coronavirus-Pandemie zu: Der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt nannte es absurd, dass es trotz Ausgangssperre in Griechenland Orte gebe, „an denen 20.000 Menschen eng zusammengepfercht" leben müssten.

 Das überfüllte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos.

Das überfüllte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos.

Foto: AP/Aggelos Barai

Mit Blick auf das überfüllte Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos nannte der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt es im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP "absurd, dass es auf der einen Seite in Griechenland eine Straftat ist, sich mit mehr als zehn Leuten auf der Straße zu treffen, wenn wir andererseits Orte in Europa haben, an denen 20.000 Menschen eng zusammengepfercht" leben müssten.

"Wenn die Menschen nicht von der Insel evakuiert werden, wird es in absehbarer Zeit zu einer Katastrophe kommen", warnte Marquardt. Die hygienische Situation in Moria nannte Marquardt, der sich seit rund drei Wochen auf Lesbos aufhält, "grausam". In "weiten Teilen des Lagers" gebe es keine Toiletten, die Bewohner seien teilweise gezwungen, Windeln zu tragen. Allein deshalb seien viele Bewohner von Moria gesundheitlich geschwächt. "Unabhängig von der Altersstruktur gehören viele Menschen zur Risikogruppe, weil man sie in einer humanitären Notlage jahrelang zurückgelassen hat", kritisierte Marquardt.

Die Informationskampagnen zum Coronavirus von Hilfsorganisationen in den Flüchtlingslagern zeugten deshalb auch von einer "gewissen Hilflosigkeit", sagte Marquardt. "Es bringt nicht viel, nur Flyer zu verteilen, auf denen man Menschen Hygiene-Tipps gibt oder sie zur Quarantäne auffordert, wenn die Menschen überhaupt keinen Abstand voneinander halten können, weil sie eng aufeinandergedrängt in Zelten schlafen müssen."

Um auf diese und andere Probleme aufmerksam zu machen, habe er eine Kampagne unter dem Hashtag "leavenoonebehind" mit initiiert. Lösungen für die sich anbahnende "Menschheitskrise" müssten "vom Staat getroffen werden, mit einer europäischen Kraftanstrengung", forderte der Grünen-Politiker weiter.

Hilfsorganisationen hätten zwar derzeit noch Zugang zu dem für weniger als 3000 Menschen ausgelegten Flüchtlingslager. Marquardt sprach jedoch von einer "schwierigen Lage". Einerseits gebe es einen Mangel an humanitärer Hilfe, andererseits drohe die Gefahr, dass ehrenamtliche Helfer aus dem Ausland das Coronavirus in das Flüchtlingslager einschleppen könnten. "Das muss man vermeiden", betonte Marquardt.

Marquardt prangerte auch massive Versäumnisse bei der Rechtsstaatlichkeit in Griechenland an. Er sei "als EU-Parlamentarier, aber auch als Europäer beschämt" angesichts des Umgangs der griechischen Sicherheitsbehörden mit den Geflüchteten. Griechenland habe ohne Not das Asylrecht außer Kraft gesetzt, zudem gebe es in dem Land "teilweise versteckte Einrichtungen, in denen illegale Abschiebungen und Folter" stattfänden.

Es sei "wichtig, dass wir eine Antwort auf die Corona-Krise finden", betonte Marquardt. "Aber wenn wir es nicht schaffen, eine Antwort auf die Krise mit demokratischen Mechanismen zu finden, dann können wir Corona vielleicht trotzdem besiegen, aber vielleicht haben wir dann die Demokratie gleich mitbesiegt".

Dem Coronavirus sei es egal, welche "Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht" ein Mensch habe, unterstrich Marquardt. "Das muss uns auch egal sein, wenn wir das Virus bekämpfen wollen." Den Europäern müsse klar sein: "Wenn wir den Eindruck erwecken, dass wir nicht die besten Lösungen für die Krise mit rechtsstaatlichen und demokratischen Mitteln haben, dann werden die Leute bei der nächsten Wahl ihre Kreuze für die anderen Mittel machen - und dann haben wir eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie."

Auf Lesbos und weiteren Ägäis-Inseln leben zehntausende Flüchtlinge unter oft katastrophalen Bedingungen. Hunderte weitere Menschen kamen auf den Inseln an, nachdem die Türkei Ende Februar ihre Grenzen zur EU für Flüchtlinge vorübergehend geöffnet hatte.

(vek/AFP)
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