Reise in die DDRLeipzig, ich komme!
Neuss (rpo). Es war ein trüber November im Herbst 1983. 17 Jahre jung fuhr ich erstmals in die DDR. Meine Oma väterlicherseits feierte ihren 80 Geburtstag und da sollte erstmals die ganze Großfamilie — Vater hat mehr als eine Handball-Mannschaft an Geschwistern — zusammen treffen. Politisch relativ spärlich — also nur mit Basiswissen — ausgestattet, war ich verdammt neugierig, auf diesen Teil Deutschlands. Lief es beim Passieren der Grenze noch recht harmlos, sieht man von den finsteren Mienen der DDR-Grenzbeamten ab, war das Melden am Zielort Leipzig schon wesentlich nerviger. Bei der Ankunft melden, am nächsten Tag melden und am dritten wieder. Die Verwandtschaft hingegen war sehr nett, angefangen von der Oma — bis dahin erst einmal gesehen, als sie uns besuchte — bis hin zu Tanten und Onkels und der feschen Cousine.Auch Leipzig selbst hatte einen gewissen Charme. "So muss es in den 30er auch bei uns Jahren ausgesehen haben", dachte ich häufig. Urige Gaslaternen warfen ihr trübes Licht auf die Nebel verhangenen Strassen am Abend. Breite Straßen, auf denen wenige Trabbis und Wartburgs knatternd vorbei ratterten. Die Straßenbahnen quietschten laut, knatterten und waren ständig überfüllt.Einen Abend war ich mit Tantchen und Cousine im Hotel Stadt Leipzig, DEM Hotel der Stadt. Dort wurde allabendlich zum Tanz gespielt. Eine lange Schlange vor dem Eingang schien nichts Gutes zu verheißen. Doch Tantchen und Cousine drängelten mit mir vor, am Eingang kurz einen 10-D-Mark-Schein in die Luft gehalten und — schwupps — wir hatten die Schlange draußen gelassen. In Erwartung eines rappelvollen Tanzsaals war ich mehr als überrascht, als uns ein Angestellter an einen freien Tisch führte, nicht den einzigen freien. Und die Preise waren — für meine Verhältnisse — lächerlich! Der Abend kostete mich mit einigen Flaschen Wein und Häppchen alberne 28 D-Mark. Ich kam mir vor wie ein kleiner König! Und als sich dann auch noch einige Mannequins — Tantchen arbeitete bei einem Leipziger Modehaus — zu uns gesellten — Mann, ich wollte direkt einwandern!Relativiert wurde das ganze dann, als tags drauf Oma mit mir in die Stadt ging, um mir was nettes zu kaufen. Ein blödes Null-Acht-Fuffzehn Sweatshirt, bei "uns" an jeder Ecke für 10 D-Mark zu haben, kostete dort ein Vermögen!Naja, aber letztlich siegte meine romantische Ader, was die Erinnerungen an meinen ersten besuch in der DDR angeht. Die Atmosphäre zurück versetzt zu sein in einen alten Film, die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen, die ich kennen lernte, das blieb hängen.Anfang der 90er Jahre habe ich wieder dienstlich einige Zeit in Leipzig verbracht: Doch die Wende hatte die Menschen verdorben. Oberflächlich, kalt, berechnend, konsum-orientiert — die Masse der Leipziger und Zugewanderten hatte ihren Charme mit der DDR aufgegeben.