Erstmals Muslimin mit Friedensnobelpreis geehrtAnruf aus Oslo war "ein Schock"
Düsseldorf (rpo). Shirin Ebadi aus dem Iran hat den Friedensnobelpreis erhalten. Die 54-jährige Juristin wird für ihren Einsatz bei der Demokratisierung Irans und im Kampf um mehr Frauenrechte ausgezeichnet. "Als Oslo angerufen hat, war es ein Schock", sagte sie. Unterdessen fordete sie die rasche Freilassung "der vielen iranischen Häftlinge". Die staatlichen iranischen Medien haben die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Menschenrechtlerin Schirin Ebadi am Freitag nur mit Zögern zur Kenntnis genommen. Der staatliche Rundfunk verbreitete die Nachricht mehr als drei Stunden nach der Bekanntgabe in Oslo als letzte Meldung seiner Nachrichtensendung. Die amtliche Nachrichtenagentur IRNA veröffentlichte eine kurze Meldung unter Berufung auf "internationale Nachrichtensendungen". Regierungssprecher Abdollah Ramesansadeh sagte auf Anfrage, es gebe keine offizielle Stellungnahme zum Friedensnobelpreis. Shirin Ebadi hat die rasche Freilassung "der vielen iranischen Häftlinge" gefordert, die in dem Land für Freiheit und Demokratie kämpfen. Gleichzeitig forderte die 56-jährige Juristin am Freitag vor der Presse in Paris die Regierung in Teheran auf, die Menschenrechte jetzt und in Zukunft einzuhalten. "Am wichtigsten ist dabei die Rede- und Meinungsfreiheit in Iran und dass diejenigen sofort freikommen, die wegen ihrer Meinung im Gefängnis sitzen", erläuterte sie. Angesprochen auf die US-Politik im Nahen Osten und gegenüber Teheran wandte sich die Friedensnobelpreisträgerin nachdrücklich "gegen jede äußere Einmischung". Es sei Sache der Kämpfer für die Menschenrechte in Iran selbst, diese dort durchzusetzen. Im Irak und in Afghanistan könne überhaupt nicht von Menschenrechten gesprochen werden, "im Irak werden die wichtigsten Bedürfnisse nicht befriedigt", äußerte sie sich kritisch zu den US-Besetzern. Die Entscheidung gilt als Überraschung. Hinter den Kulissen waren der Papst und Vaclav Havel als Favoriten gehandelt worden. Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr zum ersten Mal an eine Muslimin, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt: Die iranische Anwältin Schirin Ebadi forderte die religiösen Hardliner in ihrem Land auf, die Entscheidung des Nobelkomitees gemeinsam mit ihr zu feiern. Das offizielle Teheran reagierte aber zunächst nicht auf die Nachricht aus Oslo. In ihrem Engagement insbesondere für Frauen und Kinder habe sich die 56-jährige Juristin und Autorin auch von Drohungen nicht erpressen lassen, erklärte das Nobelkomitee in seiner Würdigung. Schirin Ebadi sei in einer Zeit der Gewalt stets für Gewaltfreiheit eingetreten. Das Nobelkomitee würdige "eine Frau, die Teil der muslimischen Welt ist und auf die diese Welt stolz sein kann - zusammen mit allen, die für die Menschenrechte eintreten, wo immer sie auch leben." Der Einsatz der Juristin galt zuletzt vor allem den Rechten für Frauen und Kinder. Die Nachricht von der Nobelpreisvergabe traf Ebadi wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als sie sich nach einer Konferenz in Paris gerade auf die Heimreise vorbereitete. "Als Oslo angerufen hat, war es ein Schock", sagte sie. "Und dann war ich sehr glücklich und froh." Sie betrachte den Friedensnobelpreis nicht nur als persönliche Bestätigung, sondern als Anerkennung "für alle Menschen, die für Menschenrechte und Demokratie in Iran arbeiten". Auf einer Pressekonferenz erklärte sie anschließend, sie könne keinen Widerspruch zwischen dem Islam und den Menschenrechten erkennen. "Daher sollten auch die Religiösen diesen Preis begrüßen." Nach ihrem Jura-Studium in Teheran war Ebadi von 1975 bis 1979 die erste Richterin Irans, wie ihr Mann bestätigte; sie war damals am Stadtgericht Teheran tätig. Nach der islamischen Revolution von 1979 musste sie aus dem Gericht ausscheiden. Seitdem wirkte sie als Anwältin, Dozentin an der Universität Teheran sowie als Autorin gesellschaftskritischer Bücher. Im Sommer 2000 war sie in Zusammenhang mit einem kritischen Dokumentarfilm zwei Monate inhaftiert. Die fünf Mitglieder des Nobelkomitees, die vom norwegischen Parlament berufen wurden, blieben mit der Wahl Ebadis ihrem Ruf treu, auch den Mut zu überraschenden Entscheidungen zu haben. In den Medien waren zuletzt Papst Johannes Paul II. und der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel als aussichtsreichste Kandidaten genannt worden. In Polen äußerte sich Lech Walesa als Friedensnobelpreisträger des Jahres 1983 tief enttäuscht darüber, dass der Preis nicht an den Papst ging. Hingegen begrüßte Havel die Entscheidung und gratulierte Ebadi. Bundesregierung zollt Ebadi RespektAuch die Bundesregierung begrüßte die Wahl des Nobelkomitees. Der Preis sei "eine berechtigte Anerkennung für den Mut und das Engagement von Schirin Ebadi", erklärte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Gerade in der islamischen Welt seien es Frauen, "die zu Entwicklung, Humanität und friedlichem Miteinander beitragen". Glückwünsche kamen unter anderem auch von der EU, dem Weltkinderhilfswerk UNICEF und Amnesty International. Der Friedensnobelpreis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert. Verliehen wird der Preis am 10. Dezember in Oslo, dem Todestag des 1986 gestorbenen Stifters Alfred Nobel. Im vergangenen Jahr ging der Friedenspreis an den früheren US-Präsidenten Jimmy Carter, der die Verleihung mit Kritik an den Kriegsplänen der Regierung Bush verband. Auch von Carter kamen am Freitag Glückwünsche an die neue Friedensnobelpreisträgerin.