SPD-Spitze nimmt Ankündigung des Amtsverzichts zur KenntnisScharping kommt peinlichem Amtsende zuvor
Berlin (rpo). Rudolf Scharping wird komplett aus der SPD-Führung ausscheiden. Weder als Vizevorsitzender noch für den Vorstand werde er kandidieren, hieß es am Montag in Berlin. Scharping ist damit offenbar einem peinlichen Ende seiner Karriere zuvorgekommen, denn er hätte überhaupt keine Chance mehr gehabt, das letzte ihm verbliebene SPD-Spitzenamt zu verteidigen.Die SPD-Führung hat die Ankündigung von Rudolf Scharping zur Kenntnis genommen, auf dem Parteitag in Bochum in vier Wochen nicht wieder für das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden zu kandidieren. Scharping habe dafür keine Gründe genannt, dies aber der Parteispitze "angemessen mitgeteilt", sagte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz am Montag nach einer Präsidiumssitzung in Berlin. Wer Scharping beobachtet habe, habe schon lange mit der Entscheiddung rechnen können. Die SPD wisse, was sie an Scharping habe und habe Respekt vor seiner politischen Leistung. Scholz sagte weiter, er gehe nicht davon aus, dass Scharping völlig aus dem "politischen Leben der Partei verschwinden wird". Forderungen, Scharping solle dann auch sein Bundestagsmandat niederlegen, bezeichnete Scholz als "ein bisschen lächerlich". Rätsel aufgegebenRudolf Scharping gibt den Genossen wieder einmal Rätsel auf. Für Montag um 16.00 Uhr hatte der Noch-SPD-Vize vor der Landespresse in Mainz selbst eine eilige Pressekonferenz einberufen. Aus "persönlichen Gründen" sagte er den Termin kurzfristig wieder ab. Stattdessen verkündete Scharping in diversen Interviews, dass er auf dem SPD-Bundesparteitag in vier Wochen in Bochum nicht noch einmal als stellvertretender Parteichef antreten will. "Ich kann unseren Zielen besser dienen, wenn ich nicht Mitglied dieser Parteiführung bin", lautete mit leicht drohendem Unterton die Begründung in der "Bild"-Zeitung. Auf der Seite, auf der Oskar Lafontaine regelmäßig am Montag seine Breitseiten gegen Gerhard Schröder abschießt, beklagte nun auch Scharping, dass die Partei "sehr viele treue Mitglieder, manche Wahlen und viel Vertrauen" verloren habe. Das alles müsse nun zurückgewonnen werden. Dass er eventuell künftig eine Anti-Schröder-Front in der SPD zusammen mit Lafontaine anführen will, ist eher unwahrscheinlich. Die alten Rechnungen mit Lafontaine, der Scharpings politischen Niedergang mit der Abwahl auf dem Mannheimer Parteitag 1995 eingeleitet hatte, sind noch nicht beglichen. Was sich auf den ersten Blick als großherziger Amtsverzicht eines von der ungewissen Zukunft der SPD getriebenen Politikers darstellt, ist für die übrige Parteispitze ein durchschaubares Manöver. Mit dem Rückzugsgefecht kommt Scharping einem peinlichen Ende seiner Karriere zuvor. Schon in den nächsten Tagen wäre endgültig klar geworden, dass er überhaupt keine Chance mehr gehabt hätte, das letzte ihm verbliebene SPD-Spitzenamt zu verteidigen. Am kommenden Montag gibt der SPD-Vorstand die Personalvorschläge für Neuwahlen auf dem Bochumer SPD-Kongress bekannt. Dafür war Scharpings Name überhaupt nicht mehr vorgesehen. Auf Vorschlag seines rheinland-pfälzischen Landesverbands soll für ihn der Mainzer Regierungschef Kurt Beck als SPD-Vize nachrücken. Auf verlorenem PostenObwohl schon längst auf verlorenem Posten hatte sich Scharping bislang aber noch nicht dazu durchgerungen, von sich aus rechtzeitig das Handtuch zu werfen. Wiederholten Gesprächsangeboten von Beck, der 1994 bei Scharpings Wechsel in die Bundespolitik dessen Nachfolger in Mainz wurde, ging er aus dem Wege und verließ deswegen auch schon früher als geplant gemeinsame SPD-Sitzungen. Im vergangenen Juni dachte Scharping zum Schrecken vieler Parteifreunde sogar laut darüber nach, ein bundespolitisches Comeback zu starten und sich gegen Beck in Bochum zu positionieren. "Ich habe gelernt, dass die gemeinsame Mitgliedschaft in einer Partei noch nichts darüber sagt, ob man es mit einem verlässlichen Charakter, mit einem guten Freund, mit einem Helfer auch dann zu tun hat, wenn die Hilfe nicht sonderlich populär ist", gab sich Scharping damals in einem Gespräch bei kreolischer Küche und einem roten Dornfelder über alte Weggefährten schwer enttäuscht. Nach seinem Rausschmiss durch Schröder als Verteidigungsminister wegen der Hunzinger-Affäre tauchte Scharping zunächst ins Privatleben ab. Nach der Scheidung von seiner Frau Jutta ehelichte er im April dieses Jahres seine Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati, mit der er vorher durch Pool-Fotos auf Mallorca auf sich aufmerksam gemacht hatte. Im Bundestag erscheint Scharping, wenn überhaupt, meist nur noch als einsamer SPD-Hinterbänkler. Noch bis vor kurzem wurde er von den Folgen seiner Kontakte zu dem Frankfurter PR-Berater Moritz Hunzinger verfolgt. Gegen Zahlung einer Geldbuße wurde ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingestellt. Bis heute bestreitet Scharping den Vorwurf, er habe sich von Hunzinger exquisite Kleidung im Wert von mehreren Tausend Euro bezahlen lassen. Sein SPD-Bundestagsmandat will der 55-Jährige behalten. Dort ist Scharping im Auswärtigen Ausschuss aktiv, der unter Parlamentskennern wegen attraktiver Reiseziele auch als "Shopping-Ausschuss" bekannt ist. Offenbar in solcher Mission traf die Delegation von CDU-Chefin Angela Merkel bei deren USA-Besuch den Ex-Minister kürzlich in New York mit großen Einkaufstüten.