Massendemonstrationen den fünften Tag in FolgePräsident in Bolivien offenbar kurz vor dem Rücktritt
La Paz (rpo). Der bolivianische Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada erwägt nach wochenlangen Demonstrationen offenbar seinen Rücktritt. Nach der Ankündigung einer "patriotischen Entscheidung", die der Staatschef am Freitag dem Parlament in einer Krisensitzung mitteilen wollte, verlautete aus seiner Umgebung, dass Sanchez de Lozada sein Amt niederlegen wolle. Unmittelbar zuvor hatte die Regierung mit dem Rückzug des Koalitionspartners Neue Republikanische Kraft eine weitere Schlappe erlitten. Deren Vorsitzender Manfred Reyes Villa sagte, der Präsident habe keine andere Wahl mehr als zurückzutreten. Mehrere tausend Menschen zogen auch am Freitag wieder durch die Straßen von La Paz. Unter ihnen waren auch Bergarbeiter, die Dynamitstangen in der Luft schwenkten. "Wir werden nicht aufhören, bis er gegangen ist", riefen sie in Sprechchören. An den Protestaktionen beteiligen sich nahezu alle Bevölkerungsgruppen in dem von verbreiteter Armut betroffenen Andenland. Drei von fünf Bolivianern müssen ihren Lebensunterhalt mit weniger als zwei Dollar am Tag bestreiten. Auslöser der Demonstrationen sind Pläne der Regierung zum Export von Erdgas. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kamen bei Zusammenstößen mit Polizei und Armee in den vergangenen drei Wochen 65 Menschen ums Leben. Am Freitag flog eine Maschine der brasilianischen Luftwaffen 105 Touristen aus Bolivien aus. Einer von ihnen berichtete nach der Landung, er habe auf der Straße vor dem Hotel Leichen gesehen; "einige von ihnen mit zerschmetterten Köpfen". Ein Flugzeug der peruanischen Luftwaffe brachte etwa 80 eigene Bürger in Sicherheit. Israel schickte ein Hercules-Transportflugzeug nach Bolivien, das mehr als 100 Israelis nach Peru bringen sollte. Der Verkehr auf dem internationalen Flughafen in El Alto ist wegen der Blockade von Zufahrtstraßen weitgehend zum Erliegen gekommen. Der 73-jährige Sanchez de Lozada war vor einem Jahr zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden. Seine erste Regierungszeit dauerte von 1993 bis 1997. Der in den USA ausgebildete Politiker wird von Washington unterstützt.