Kanzler soll sich nicht von Linken erpressen lassenWesterwelle bietet sich als Mehrheitsbeschaffer für Schröder an
Berlin (rpo). Die SPD will bei der nächsten Abstimmung im Bundestag offenbar kein Risiko eingehen und macht den parteiinternen Kritikern der geplanten Arbeitsmarktreform weitere Zugeständnisse. Unabhängig davon bietet sich die FDP Bundeskanzler Gerhard Schröder als Mehrheitsbeschaffer an.Parteichef Guido Westerwelle sagte am Dienstag, der Kanzler dürfe sich von den Abweichlern bei SPD und Grünen nicht erpressen lassen. "Er muss wissen, hier geht es um Deutschland und nicht darum, ein paar linke Lafontaines in seiner Partei zu befriedigen." Der Bundestag stimmt am 17. Oktober über den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab. Westerwelle kritisierte im Südwestrundfunk, ein Teil dieser Hartz-Gesetze solle jetzt nach dem Willen von angeblich 21 Abweichlern noch einmal verwässert werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering habe bereits angekündigt, er wolle mit den Abtrünnigen reden. Nach der Verfassung brauche der Kanzler für seine Gesetze aber keine eigene rot-grüne Mehrheit. Er könne verstehen, dass Schröder als SPD-Vorsitzender eine eigene Mehrheit wolle, sagte Westerwelle. Nötig sei aber eine Mehrheit der marktwirtschaftlichen Vernunft. "Und wenn er marktwirtschaftlich vernünftig handelt, hat er diese Mehrheit, weil die FDP mit ihren Stimmen dazu beitragen wird, dass diese vernünftigen Gesetze in jedem Fall durchkommen. Er soll sich und er darf sich deswegen im Interesse unseres Landes nicht von den Linken erpressen lassen", sagte Westerwelle. Gesetzentwürfe "glätten"Die SPD ist bereit, die Gesetzentwürfe zu "glätten", wie es Müntefering nannte. Sie will den parteiinternen Kritikern der Arbeitsmarktreform weitere Zugeständnisse machen. So werde überlegt, ältere Arbeitslose besser zu stellen als bisher vorgesehen, berichtete die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf den arbeitsmarktpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner. Wer über 55 Jahre sei, solle nicht gezwungen werden, die Altervorsorge anzutasten. Auch eine Unterhaltsverpflichtung zwischen Eltern und Kindern bei Arbeitslosigkeit werde es nicht geben. In einem Brief an seine Fraktionskollegen betonte Brandner dem Blatt zufolge aber auch: "Selbstverständlich müssen Arbeitslose auch Teilzeitstellen annehmen und dazu beitragen, die Bedürftigkeitsleistung zu vermindern." Zudem stehe bereits im Gesetzentwurf, dass sittenwidrige Arbeiten oder solche mit unzulässig niedrigen Löhnen nicht zumutbar seien. "Die Rechtsprechung ist deutlich, wir werden dennoch prüfen, ob eine Klarstellung sinnvoll ist", fügte er in dem Brief hinzu. Lebensversicherungen nicht antasten Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel rechnet nach eigenen Worten mit einem weiteren Einlenken der Parteiführung in Einzelpunkten. Niemand lehne die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab, sagte Barthel der Chemnitzer "Freien Presse". Doch die Tücke stecke im Kleingedruckten. So könne es nicht dabei bleiben, dass Lebensversicherungen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt würden. Wer das als unumstößlich ansehe, verkenne die tatsächliche Situation der Erwerbslosen. "Ich gehe davon aus, dass die Parteispitze sich bewegen wird", sagte Barthel. Widerstand gegen die Arbeitsmarktreform droht jedoch auch im Bundesrat. Selbst SPD-Länder lehnen laut "Berliner Zeitung" Pläne der Regierung ab, die Entlastung der Kommunen über einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer zu finanzieren.