Entlassener Innensenator verzichtet auf FraktionsvorsitzPartei will Nockemann als Schill-Nachfolger
Hamburg (rpo). Der entlassene Hamburger Innensenator Ronald Schill will nicht den Fraktionsvorsitz seiner Partei übernehmen. Neuer Innensenator der Hansestadt soll nach dem Willen der Partei Schills bisheriger Büroleiter Dirk Nockemann werden.Das beschloss die Bürgerschaftsfraktion der Schill-Partei mit großer Mehrheit am Mittwochabend in Hamburg, teilte der Fraktionsvorsitzende Norbert Frühauf mit. Nockemann habe sich einen Tag Bedenkzeit ausgebeten, ob er für dieses Amt zur Verfügung stehe und wolle seine Entscheidung am Donnerstagabend bekannt geben.Schill selbst will nicht mehr Vorsitzender seiner Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft werden: "Ich will als Abgeordneter tätig werden und habe darüber hinaus keine Ambitionen", sagte Schill am Mittwoch in einem dpa-Gespräch.Schill: Entlassung war länger geplantSchill warf Beust erneut vor, seine Entlassung länger geplant zu haben. Beust habe ihn am Dienstagmorgen ins Büro gerufen und mitgeteilt, er werde Innenstaatsrat Walter Wellinghausen entlassen. Laut Schill sagte Beust, wenn ihm das nicht passe, könne er ja gleich zurücktreten. "Er hat die behauptete Erpressung benutzt, um mich zu entlassen. Und dies Rechnung ist aufgegangen." Er behalte sich vor, gegen Beust Strafantrag wegen Verleumdung zu stellen, sagte Schill. Wegen der Vorfälle in Beusts Büro prüft die Bundesanwaltschaft, ob Schill sich der versuchten Nötigung eines Verfassungsorgans schuldig gemacht hat. Schill bestritt erneut, Beust mit einer angeblichen Liebesbeziehung zu Justizsenator Roger Kusch (CDU) erpresst zu haben. Er bedauerte allerdings, dass er bei der Rücktrittspressekonferenz auf Fragen von Journalisten weitere Details dazu genannt habe. Justizsenator: "Nie sexuelles Verhältnis gegeben"Der Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat die Vorwürfe des entlassenen Innensenators Ronald Schill in Zeitungsinterviews scharf zurückgewiesen. "Was Herr Schill behauptet, ist eine freie Erfindung und zu 100 Prozent falsch", sagte Kusch nach Angaben des "Hamburger Abendblatts" (Donnerstagausgabe). Schill hatte behauptet, Bürgermeister Ole von Beust habe ein homosexuelles Verhältnis mit Kusch und somit Privates und Politisches vermischt. Daraufhin hatte von Beust Schill entlassen. In einem Interview mit der "Welt" (Donnerstagausgabe) erklärte Kusch, er kenne von Beust seit 25 Jahren. "Vielleicht ist das nicht meine engste, sicherlich aber eine sehr enge und die dauerhafteste Freundschaft, die ich pflege", wurde der CDU-Politiker zitiert. Er und von Beust fuhren häufiger zusammen Ski oder verbrachten Urlaube gemeinsam. Ein sexuelles Verhältnis aber habe es nie gegeben, sagte Kusch der Zeitung. Zu Schills Vorwurf, bei Kuschs Mietwohnung handele es sich um eine "Liebeshöhle", wollte der Senator demnach nichts weiter sagen. Er bestätigte lediglich, dass er von Beust im April 2001 zum Kauf der Wohnung am Hansaplatz geraten habe. Später habe er dessen Angebot, die Wohnung gegen 1.100 Euro Miete zu beziehen, "gern angenommen". Kusch betonte laut "Welt", dass Homosexualität kein Vorwurf sein könne. "Man kann doch einem Rothaarigen nicht vorwerfen, dass er rote Haare hat", wurde er zitiert. "Im Übrigen habe ich privat nie ein Hehl daraus gemacht", fügte er demnach hinzu. Schill musste Waffe abgeben Mit seinem Amt als Hamburger Innensenator hat Ronald Schill auch seine Pistole abgeben müssen. Wenige Stunden nach seiner Entlassung musste Schill seine "Glock 17", Kaliber neun Millimeter, der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes übergeben, berichtet das "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag). Ein Personenschützer habe Schill am Dienstag aufgefordert, die Waffe abzugeben, sagte ein Mitarbeiter der Innenbehörde dem Blatt. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach sich unterdessen für Neuwahlen in Hamburg aus. Zur Entlassung von Innensenator Schill sagte der SPD-Vorsitzende am Dienstagabend in Berlin, es handele sich um ein "makabres Schauspiel". SPD und Grüne in Hamburg haben im Landesparlament einen Antrag auf Auflösung und Neuwahlen gestellt. Im Hamburger Szenebezirk Schanzenviertel haben am Dienstagabend 2.000 Angehörige der linken Szene die Entlassung von Schill gefeiert. Vereinzelt wurden bei einer Freuden-Demonstration Flaschen in Richtung von Polizisten geworfen. Die Polizei setzte kurz Schlagstöcke ein.