Alle Politik-Artikel vom 19. August 2003
Jerusalem: Viele Tote bei Explosion in Bus

Selbstmordattentat auf HauptstraßeJerusalem: Viele Tote bei Explosion in Bus

Jerusalem (rpo). Neue Gewalt in Israel: In Jerusalem hat sich am Dienstagabend ein Selbstmordattentäter in einem vollbesetzten Bus in die Luft gesprent. Nach Angaben von Polizei und Sanitätern forderte der Anschlag viele Todesopfer und Verletzte.Bei einem Selbstmordanschlag auf einen vollbesetzten Bus mit strenggläubigen Juden in Jerusalem sind am Dienstagabend nach Rundfunkberichten mindestens 20 Menschen getötet worden, darunter mehrere Kinder. Nach Angaben von Rettungskräften wurden mehr als 100 Personen verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Die Bluttat ist ein weiterer Rückschlag in den Bemühungen zur Umsetzung des jüngsten internationalen Friedensplans. Die Explosion ereignete sich kurz nach 21.00 Uhr Ortszeit (20.00 MESZ) auf einer Hauptstraße in Jerusalem. Blutverschmierte Menschen wurden von Sanitätern abtransportiert, mehrere Leichen lagen auf dem Bürgersteig. Rettungskräfte setzten Schneidbrenner ein, um Verletzte aus dem Wrack des Busses zu befreien. Das Fahrzeug wurde bei der Explosion völlig zerstört. Der Bus war nach einem Radiobericht an der Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt gestartet und sollte in ein vorwiegend von ultraorthodoxen Juden bewohntes Stadtviertel fahren. Die Untergrundorganisation Islamischer Dschihad hatte gedroht, die Tötung eines ranghohen Führungsmitglieds durch israelische Truppen in der vergangenen Woche zu rächen. Unterdessen wurde bekannt, dass Israel zum Ausbau seiner Sperranlagen bei Jerusalem zahlreiche palästinensische Landbesitzer enteignen will. Wie der palästinensische Kartograf Kalil Tufakdschi am Dienstag sagte, erhielten Ende voriger Woche Dutzende Familien in den Ortschaften Abu Dis, Issarijeh, Tsur Baher und El Sawahreh el Scharkia entsprechende Enteignungsverfügungen der israelischen Behörden. Das israelische Verteidigungsministerium bestätigte dies. Die Sperranlagen bestehen aus massiven Betonmauern, aus elektrischen Zäunen und Stacheldrahtzäunen sowie aus Schutzgräben. Damit will Israel verhindern, dass Attentäter auf israelisches Gebiet gelangen. Die palästinensische Autonomiebehörde kritisiert den Bau der Sperranlagen scharf. Aber auch die USA sehen darin "ein Problem", wie es Außenminister Colin Powell wiederholt formulierte. Vor der geplanten Wiederaufnahme von Verhandlungen über einen Rückzug der Armee aus Jericho und Kakilja hat Israel eine Liste neuer Forderungen an die Palästinenser erarbeitet. Der Armeerückzug aus den beiden Städten im Westjordanland hätte eigentlich schon am (heutigen) Dienstag erfolgen sollen. Israel bestand jedoch darauf, einige Kontrollposten an den Ausfallstraßen aufrecht zu erhalten. Daraufhin wurden die Verhandlungen am Sonntagabend vertagt.

Schill: Beust suchte Vorwand für Entlassung

Schlammschlacht in HamburgSchill: Beust suchte Vorwand für Entlassung

Frankfurt/Hamburg (rpo). Schlammschlacht in Hamburg und kein Ende: Der entlassene Innensenator Ronald Schill hat bestritten, dass er Bürgermeister Ole von Beust mit dessen angeblichem homosexuellen Verhältnis erpresst habe. Diese Anschuldigung habe Beust lediglich als Vorwand benutzt, um ihn zu entlassen, sagte Schill am Abend im Nachrichtensender n-tv. "Ich habe ihn keinesfalls erpresst, das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf", sagte er. Beust habe offenbar einen triftigen Grund gebraucht, um ihn zusammen mit seinem Staatsrat Walter Wellinghausen "gleich mit abzuservieren". Schill berichtete, dass er am Morgen bei einem Treffen mit Beust gegen die geplante Entlassung seines Staatsrats protestiert habe. Dabei habe er auch das Verhältnis des Bürgermeisters zu seinem Innensenator angesprochen, das er für "rechtstaatswidrig" halte. Zu Beust habe er zudem gesagt: "Du musst Deine hohen Maßstäbe auch an Dich selbst anlegen und das tust Du nicht." Als Drohung sei dies aber nicht gemeint gewesen. Beust hatte wörtlich erklärt: "In einem Vier-Augen-Gespräch heute Morgen um 09.40 Uhr in meinem Büro, um das Herr Schill gebeten hatte, drohte er mir für den Fall der Entlassung des Staatsrates Wellinghausen, öffentlich publik zu machen, dass ich meinen angeblichen Lebenspartner Justizsenator Roger Kusch zum Senator gemacht habe und damit Privates und Politisches verquickt habe." Diese Behauptung sei falsch und die Drohung ungeheuerlich.

Schill: "Ich denke, das ist intim..."

Presseerklärung des entlassenen InnensenatorsSchill: "Ich denke, das ist intim..."

Hamburg (rpo). Nach seiner Entlassung hat der Hamburger Innensenator Ronald Schill vor der Presse eine Erklärung abgegeben. Nachfolgend ein Ausschnitt: "Es wurde dann ins Auge gefasst, ein Disziplinarverfahren sollte Herr Wellinghausen gegen sich selbst einleiten und von der Senatskanzlei wurde darauf gedrängt, dass so lange Herr Wellinghausen Urlaub nehmen sollte. Damit erklärten wir uns einverstanden, diese Forderung der Senatskanzlei. Und damit war das einvernehmlich beschlossen. Es sollte ein Disziplinarverfahren stattfinden mit einem unabhängigen Richter. Herr Wellinghausen sollte die voraussichtlichen zwei Wochen Urlaub machen. Alle Seiten waren damit einverstanden. Es ging jetzt nur noch darum, dass die Senatskanzlei eine Presseerklärung anfertigen wollte, in der sie das mitteilt. (...) Bevor sie rausging bekamen wir einen Anruf von Ole von Beust, der uns mitteilte, er fühle sich daran nicht mehr gebunden, an dieses Disziplinarverfahren. (...) Wir haben hier (...) nicht mehr den ausgleichenden Ole von Beust, der bisher sehr erfolgreich als ausgleichender Bürgermeister die Koalition zusammengehalten hat, sondern er machte auf mich den Eindruck als sei er wie ausgewechselt. Er trifft eine Entscheidung, ohne sich mit irgendjemand unterhalten zu haben. Insbesondere nicht mit mir als Hauptbetroffener. Das ist ja mein Staatsrat (Anm.: Walter Wellinghausen) gewesen. (...) Ich wäre durchaus damit einverstanden gewesen, wenn wir im heute tagenden Koalitionsausschuss über die so genannte Affäre Wellinghausen debattiert und zu dem Ergebnis gelangt wären, dass Herr Wellinghausen gehen muss. Aber in einem mir nicht nachvollziehbaren undemokratischen Verhalten hat Herr von Beust heute Morgen entschieden, mich und den Staatsrat um 09.30 Uhr einzubestellen. (...) Was Herr Ole von Beust in Bezug auf eine etwaige Entlassung von meiner Seite gesagt hat, ist nicht richtig. Richtig ist, dass ich Herrn von Beust gesagt habe, dass es meinem Gerechtigkeitsempfinden in eklatanter Weise widerspricht, wie hier in wiederholtem Male mit zweierlei Maß gemessen wird. (...) Mario Mettbach ist Anfang des Jahres 2002 in die Schusslinien geraten, weil er beschuldigt wurde, seine Lebensgefährtin als persönliche Referentin angestellt zu haben. Ihm ist auch vom Bürgermeister vorgeworfen worden, dass er politische und persönliche Belange hier auf unkorrekte Art und Weise vermengt habe. Das kann man so sehen oder man kann es nicht so sehen. Aber ich habe Ole von Beust gesagt, dass dieses Messen mit zweierlei Maß meinem Gerechtigkeitsgefühl widerspricht und ihn daran erinnert, dass er seinen Lebensgefährten Roger Kusch zum Justizsenator gemacht hat. Seinen Lebensgefährten, der am Hansaplatz in seiner Wohnung wohnt und mit dem er früher ein homosexuelles Verhältnis unterhielt und nach wie vor ein homosexuelles Verhältnis unterhält. Ich habe ihm mit keinem Worten gesagt, dass ich beabsichtige, und dass ist der tief greifende Unterschied, beabsichtige, das in irgendeiner Art und Weise publik zu machen. (...) Wenn Ole von Beust diese Behauptung eben nicht aufgestellt hätte, dann hätte ich das auch hier und zu keinem anderen Zeitpunkt gesagt. Aber er hat das in einer entstellenden Art und Weise getan und in einen falschen Satzzusammenhang gestellt. Er hat behauptet, ich hätte ihn damit erpresst. Ich habe nur an ihn appelliert, Gerechtigkeit walten zu lassen und nicht zweierlei Maß aufzuziehen. Und ich habe ihm gesagt, dass ich es als das ungleich schwerer Wiegende ansehe, was die Vermischung persönlicher und politischer Interessen anbelangt, wenn man den Lebensgefährten zum Senator macht, als wenn man ihn zur persönlichen Referentin macht. Das war alles. (...) Ich bin selbst erstaunt darüber, dass Herr Ole von Beust es eben in die Öffentlichkeit gebracht hat. Dazu bestand nicht die geringste Veranlassung. (...) Ich denke, das ist intim, wenn man sich duzt und wir hatten ein quasi freundschaftliches Verhältnis, Ole von Beust und ich. Und es legitim, wenn so ein Gespräch stattfindet, um das Ole von Beust selbst gebeten hatte, so ein Gespräch auch offen zu führen. Und er hat mir gegenüber aus seiner Homosexualität nie einen Hehl gemacht. Roger Kusch hat es auch nicht getan. Es spielt für mich keine Rolle. Ich habe ihn sogar in Schutz genommen. Was er mir auch gedankt hat."

Amnesty wirft USA folterähnliche Verhörmethoden vor

Massive Verstöße im Kampf gegen Terror angeprangertAmnesty wirft USA folterähnliche Verhörmethoden vor

Bern (rpo). Die USA sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, im Kampf gegen den Terrorismus massiv gegen die Menschenrechte zu verstoßen. Amnesty International (AI) erhebt diese Vorwürfe mit Blick auf Haftbedingungen und folterähnlichen Verhörmethoden.Interviews mit ehemaligen Häftlingen zeugten von menschenunwürdigen Haftbedingungen und folterähnlichen Verhörmethoden, teilte die Menschenrechtsorganisation am Dienstag mit. "Die US-Behörden haben im Kampf gegen den Terror eine Paralleljustiz etabliert", erklärte Amnesty. Mit der Anti-Terrorgesetzgebung werde ein System geschaffen, in dem die Exekutive verhafte, verhöre, vor Gericht stelle und verurteile. Dies sei eine äußerst dramatische Entwicklung, betonte die Organisation. Bericht veröffentlichtIn einem am Dienstag veröffentlichten Bericht dokumentiert Amnesty anhand von Einzelfällen Haft- und Verhörbedingungen auf US-Stützpunkten in Kuba, Afghanistan und Irak. Demnach würden - gestützt auf einen Erlass vom 13. November 2001 - Verdächtige auf unbestimmte Zeit ohne Anklageergebung oder Gerichtsverfahren festgehalten. Interviews von AI-Vertretern mit Häftlingen brächten zudem Verhörmethoden ans Licht, die mit Folter gleichzusetzen seien. Die Gefangenen würden schließlich in Verfahren vor Militärkommissionen verurteilt, die alle Prinzipien für faire Verhandlung missachteten. "Ein Rechtsverständnis, das feindlichen Kombattanten die universellen Menschenrechte verweigert, ist ein schwerer Bruch mit internationalen Standards", schrieb Amnesty. Die internationale Staatengemeinschaft dürfe diesem Beispiel nicht folgen. Amnesty fordert die US-Regierung auf, die Militärverordnung unverzüglich aufzuheben und keine Verfahren vor Militärkommissionen mehr zuzulassen. Internationale Beobachter müssten zudem Zugang zu allen Gefangenenlagern erhalten. Häftlinge, denen keine Straftaten zur Last gelegt werden könnten, müssten freigelassen und entschädigt werden.

Kelly-Ausschuss: PR-Chef Campbell weist Vorwürfe zurück

"Irak-Dossier nicht aufgebauscht"Kelly-Ausschuss: PR-Chef Campbell weist Vorwürfe zurück

London (rpo). Alastair Campbell, PR-Chef der britischen Regierung, bestritt vor dem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Kelly-Affäre, das umstrittene Irak-Dossier aufgebauscht zu haben. Nach seiner Aussage sei Tony Blair bemüht gewesen, "neue und enthüllende" Informationen zum Waffenarsenal von Saddam Hussein in die Öffentlichkeit zu bringen.Er wisse nicht, wie die Behauptung, Saddam Hussein könne innerhalb von 45 Minuten einen Angriff mit chemischen und biologischen Waffen starten, in das Dokument gelangt sei. "Ich habe darauf keinerlei Einfluss gehabt", sagte Campbell. Seine Aussage steht in direktem Widerspruch zu dem in einem BBC- Bericht im Mai erhobenen Vorwurf, Campbell habe das Dossier mit der Einfügung "sexier" machen wollen, um so den Irak-Krieg besser rechtfertigen zu können. Laut BBC war der Name Campbells in diesem Zusammenhang von dem Waffenexperten David Kelly erwähnt worden. Der frühere UN-Waffeninspekteur hatte sich, offenbar wegen des Rummels um ihn als Quelle für den BBC-Bericht, Mitte Juli das Leben genommen. Nach der Aussage Campbells hielt Blair den Irak für eine "einzigartige Bedrohung." Der Premierminister sei deshalb darum bemüht gewesen, "neue und enthüllende" Informationen zum Waffenarsenal von Saddam Hussein in die Öffentlichkeit zu bringen, berichtete Campbell. Er teilte ferner mit, dass die Entscheidung, ein Dossier ausschließlich über die Massenvernichtungswaffen des Irak zu erstellen, erst im August vergangenen Jahres gefällt wurde. Blair hatte das Dossier am 24. September 2002 im Unterhaus vorgelegt. "Das Dossier sollte so trocken wie möglich sein"Den ersten Entwurf, in dem die "45-Minuten-Behauptung" auftauchte, datierte Campbell auf den 10. September. Der Ursprung dieser Behauptung sei ihm nicht bekannt, fügte er vor dem Ausschuss hinzu. Er habe aber aus "Gründen der Glaubwürdigkeit des Dossiers" immer darauf bestanden, dass die Geheimdienste bei Erstellung des Berichts die Federführung und Hauptverantwortung haben müssten. "Ich wollte, dass das Dossier so trocken wie möglich ist", sagte Campbell. Am Vortag hatte Jonathan Powell, ebenfalls ein enger Berater Blairs, dem Ausschuss eine E-Mail vorgelegt, in der starke Zweifel an der Aussagekraft des Dossiers erhoben wurden. Noch am 17. September hatte Powell an Campbell geschrieben: "Das Dossier belegt keine Bedrohung, schon gar nicht eine unmittelbare Bedrohung, durch Saddam." Campbell galt als der bisher wichtigste Zeuge vor dem Ausschuss, der von Lordrichter Brian Hutton geleitet wird. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen Premierminister Blair und Verteidigungsminister Geoff Hoon geladen werden. Aus einer am Dienstag in der liberalen Zeitung "The Guardian" veröffentlichten Umfrage geht hervor, dass die Blair-Regierung wegen der Kelly-Affäre an Vertrauen verloren hat. Danach sind die Hälfte der Befragten der Ansicht, die Regierung habe das umstrittene Dossier "beschönigt." Lediglich 24 Prozent der Befragten sind der Ansicht, das Irak-Dossier sei von der Regierung "nicht aufgebauscht" worden. 68 Prozent sind der Meinung, die Regierung von Tony Blair habe Kelly "unfair" behandelt.

Anschlag auf UN-Hauptquartier in Bagdad

Tote und Verletzte befürchtetAnschlag auf UN-Hauptquartier in Bagdad

Bagdad (rpo). Auf das UN-Hauptquartier in Bagdad ist am Dienstag ein Anschlag verübt worden. Einige US-Medien sprachen unter Berufung auf Augenzeugen von mindestens drei Toten. Augenzeugen berichteten von blutenden Opfern, die auf Tragbahren aus dem zum Teil eingestürzten Gebäude gebracht und mit Rettungshubschraubern in Krankenhäuser gebracht wurden. Nach Berichten des US-Senders CNN gehört auch der irakische UN-Repräsentant zu den Schwerverletzten. Einige US-Medien sprachen unter Berufung auf Augenzeugen von mindestens drei Toten. Das UN-Quartier ist laut CNN bereits seit vielen Jahren im Canal-Hotel untergebracht. Rund 300 Menschen waren zur Zeit der Explosion dort tätig, sagte UN-Sprecher Fred Eckhard. Das New Yorker UN-Hauptquartier habe unmittelbar nach dem Bombenanschlag den Kontakt zur UN-Vertretung in Bagdad verloren. Aus diesem Grund konnte Eckhard Berichte des britischen Senders BBC nicht bestätigen, wonach der UN-Sonderbeauftragte Sergio Vieira de Mello schwer verletzt wurde. Man befürchte aber das schlimmste. Im UN-Hauptquartier in New wurde ein Krisenstab gebildet, der versucht, alle verfügbaren Informationen aus Bagdad zu sammeln und auszuwerten. UN-Generalsekretär Kofi Annan war zum Zeitpunkt der Explosion im Urlaub in Finnland.

Anschlag auf UN-Sitz: de Mello unter den Toten
Anschlag auf UN-Sitz: de Mello unter den Toten

Bombe explodiert am UN-Hauptquartier in BagdadAnschlag auf UN-Sitz: de Mello unter den Toten

Bagdad (rpo). Bei einem Bombenanschlag auf den UN-Sitz in Bagdad, der am Dienstag mindestens 20 Menschen das Leben kostete, ist auch der UN-Sonderbeauftragte Sergio Vieira de Mello ums Leben gekommen. Der Brasilianer erlag seinen schweren Verletzungen. Die Tat wurde weltweit aufs schärfste verurteilt. Dem Selbstmordanschlag am Dienstag fielen mindestens 20 Menschen zum Opfer, rund 100 wurden verletzt. Wenige Stunden zuvor war die Festnahme des früheren irakischen Vizepräsidenten Taha Jassin Ramadan gemeldet worden. Die UN-Flagge am Hauptsitz der Weltorganisation in New York wurde auf Halbmast gesetzt. UN-Sprecher Fred Eckhard erklärte, die Tat werde schwere Konsequenzen für die Arbeit der UN in Irak haben. Vieira de Mellos Tod sei "ein persönlicher Verlust für uns alle, aber auch ein politischer Verlust". Die UN müssten das Sicherheitsrisiko für ihre Arbeit in Irak neu überprüfen, sagte Eckhard. Dennoch sei die Weltorganisation entschlossen, sich von dem Anschlag nicht von ihrem Einsatz abhalten zu lassen. Vor dem Attentat seien keine Drohungen bei den Vereinten Nationen eingegangen. Für die Sicherheit des Gebäudes sei die Besatzungskoalition zuständig gewesen. Der 55-jährige Vieira de Mello befand sich zum Zeitpunkt der Explosion gegen 16.30 Uhr Ortszeit in seinem Büro und wurde unter den Trümmern begraben. Die Front des Canal Hotel im Nordosten der irakischen Hauptstadt, in dem sich der Sitz der Vereinten Nationen befindet, stürzte ein. Aus dem Pentagon in Washington verlautete, Augenzeugenberichten zufolge sei ein Lastwagen mit Sprengstoff in die Lobby des Canal Hotel gefahren, wo er dann explodiert sei. In dem Gebäude arbeiteten etwa 300 Menschen. Helfer gruben zum Teil mit bloßen Händen in den Trümmern, um Verschüttete zu bergen. Der US-Zivilverwalter Paul Bremer begab sich an den Explosionsort, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Über dem Canal Hotel stieg schwarzer Rauch auf. Noch in zwei Kilometern Entfernung gingen Fensterscheiben zu Bruch, und mehrere Autos wurden zerstört. Das dreigeschossige Canal Hotel, das überwiegend als Bürogebäude genutzt wurde, war vor Beginn des Irakkriegs Sitz der UN-Waffeninspekteure. In dem Gebäude sind die Büros der meisten UN-Organisationen in Irak untergebracht mit Ausnahme von UNICEF und der Welternährungsorganisation (FAO). Der Weltsicherheitsrat verurteilte die Tat in scharfer Form und sprach von einem Terroranschlag. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, es handele sich um einen verbrecherischen Anschlag. Außenminister Joschka Fischer erklärte: "Dieser perfide Anschlag ist nicht nur ein direkter Angriff auf die Vereinten Nationen und damit auf die internationale Staatengemeinschaft. Er ist auch ein Anschlag auf die Zukunft des irakischen Volkes." US-Präsident George W. Bush nannte die Täter "Feinde der zivilisieren Welt". Das russische Außenministerium sprach von einer "barbarischen Tat". Ramadan versteckte sich bei VerwandtenDer frühere Stellvertreter des irakischen Staatschefs Saddam Hussein befindet sich nach US-Angaben in Gewahrsam der amerikanischen Streitkräfte. Wie ein Sprecher der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) erklärte, wurde Ramadan am Dienstag von PUK-Truppen in Mossul festgenommen. Er habe sich bei Verwandten versteckt. Ramadan hatte nach dem Putsch der Baath-Partei 1968 mehrere Ministerämter inne und war in den 80er Jahren stellvertretender Ministerpräsident. Er galt eine Zeit lang als mächtigster Mann in Irak nach Saddam Hussein. Auf der US-Liste der meistgesuchten Iraker stand er auf Platz 20. Irakische Oppositionelle fordern, Ramadan müsse wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.

Offenes Ende: Die Union auf der Suche nach einer Strategie

"Bei uns fehlen die Leitplanken"Offenes Ende: Die Union auf der Suche nach einer Strategie

Berlin (rpo). Reformgipfel mit Bundekanzler Gerhard Schröder? Ja - oder doch besser nicht, oder eventuell ein wenig später? In der Union scheint bei Themen wie vorgezogene Steuerreform oder Reform der Gemeindefinanzen allgemeine Verwirrung zu herrschen. "Die Regierung ist in einem desaströsen Zustand. Bei uns fehlen aber auch die Leitplanken", klagt ein hochrangiges Fraktionsmitglied. CDU-Chefin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Union haben an diesem Mittwochabend bei ihrem Treffen auf dem Frankfurter Flughafen wieder einmal reichlich Stoff für die Strategiediskussion. Vorsorglich haben Merkel und ihre Mitstreiter aus Berlin ihren Rückflug erst für Donnerstag früh gebucht. Für die Debatte gilt: Ende offen. Eigentlich war die Begegnung nur als eine Kurz-Zusammenkunft nach dem Urlaub geplant, als erstes Aufwärmen für den heißen Herbst. Die Verabschiedung des Reformpakets zu Steuern, Finanzen und Arbeitsmarkt durch das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch hat die Union aber schnell wieder unter Druck gesetzt. Auch Merkel hat die Latte hochgehängt und Alternativen angekündigt: "Wir erschöpfen uns nicht im Nein-Sagen." Und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verspricht eine "klare Positionierung". Konkretes ist vor allem in Sachen Gemeindefinanzen zu erwarten. Nach Dauertelefonaten aus Berlin mit den Staatskanzleien ist klar, dass die Union das Konzept der Bundesregierung ablehnen wird, die auch Freiberufler bei der Gewerbesteuer zur Kasse bitten will. Stattdessen will man an der Idee eines "Sofortprogramms" festhalten, das den Kommunen bis zu einer durchgreifenden Finanzreform über die Zeit helfen soll. In der Ursprungsfassung sieht das Programm erhöhte Zuweisungen aus der Umsatzsteuer an die Gemeinden und die Reduzierung der Beträge vor, die die Kommunen aus der Gewerbesteuer an Bund und Länder überweisen. "Hier kann es aber noch Debatten geben", sagt ein Insider. Denn das Geld, das die Kommunen bekommen, fehlt zum Teil den Ministerpräsidenten in ihren Kassen. Beim Thema Steuerreform haben sich die Wogen in den vergangenen Wochen ein wenig geglättet. "Mittlerweile sehen wohl alle ein, dass es für uns kein Zurück mehr gibt", sagt ein Fraktionsmitglied. Dennoch werde die Runde erst einmal bei der Linie bleiben, von der Bundesregierung Nachbesserungen an ihrem Finanzierungskonzept zu fordern. Der interne Streit, ob die Union mehr Schulden für das Vorziehen in Kauf nehmen will, ist erst einmal auf Eis gelegt. Bleibt die Frage des Reformgipfels. Eigentlich hatte Merkel vor einer Woche angekündigt, dass die Zeit für außerparlamentarische Runden mit der Bundesregierung vorbei sei. Dennoch fand einige Tage später Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus Gefallen an einem Gipfel mit Schröder. Auch Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zeigten sich nicht abgeneigt. Stoiber und Hessens Ministerpräsident Roland Koch halten nichts davon. Merkel wiederum bemühte sich zuletzt um eine Position, die allen irgendwie gerecht werden soll und lehnt einen Gipfel nicht gänzlich ab. Sie habe Althaus "nicht im Regen stehen lassen wollen", sagt ein Fraktionsmitglied. Nun formuliert die Parteichefin Bedingungen. Insbesondere der außerparlamentarisch ausgehandelte Kompromiss zur Gesundheitsreform müsse zunächst "eins zu eins" umgesetzt werden, heißt es aus der Fraktionsspitze. "Wenn es nicht klappt, ist die Veranstaltung zu Ende. Dann sehen wir uns im Vermittlungsausschuss wieder." Nach der FDP würde dann auch die Union aus dem Gesundheitskonsens aussteigen. Doch spätestens im Vermittlungsausschuss müssten CDU und CSU wieder eine gemeinsame Position finden.

Opposition lehnt auch neue Pläne zur Pendlerpauschale ab

Mehrbelastung für Arbeitnehmer trotz SteuerreformOpposition lehnt auch neue Pläne zur Pendlerpauschale ab

München/Berlin (rpo). Die neuesten Pläne der Regierung sehen eine Halbierung der Pendlerpauschale für alle Arbeitnehmer vor. Doch auch diese Vorschläge stoßen bei der Opposition auf Ablehnung.Sowohl der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber als auch der FDP-Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele erklärten am Dienstag, sie würden eine Halbierung der Pauschale nicht mittragen. Damit würden für Millionen Arbeitnehmer die Vorteile der Steuerreform zunichte gemacht, erklärte Stoiber in München. "Die Regierung Schröder setzt ihre Geisterfahrt ungebremst fort", kommentierte der CSU-Chef die Pläne: "Ein solches Minusgeschäft für Millionen Arbeitnehmer und ihre Familien machen wir nicht mit." Nach Berechnungen seiner Staatskanzlei zahle etwa ein Normalverdiener mit 30.000 Euro Bruttoeinkommen und mehr als 45 Kilometer Entfernung zum Arbeitsplatz trotz Vorziehens der Steuerreform unter dem Strich 47 Euro mehr Steuern als heute, sagte Stoiber. "Bei einer Entfernung von 75 Kilometern sind es sage und schreibe 454 Euro mehr Steuerbelastung als heute", fügte er hinzu. Nur für Einkommen ab 40.000 oder 50.000 Euro würde nach den neuesten rot-grünen Vorschlägen die Steuerentlastung größer als die Mehrkosten durch die Halbierung der Entfernungspauschale. "Je weniger man verdient, desto härter wird man abgezockt. Dass ausgerechnet eine SPD-geführte Bundesregierung den kleinen Mann so gezielt benachteiligen und ihm das Geld aus der Tasche ziehen will, ist eine Unverschämtheit", sagte Stoiber. Nach Thieles Auffassung handelt es sich bei der Pauschale nicht um eine Steuervergünstigung, sondern um Werbungskosten. Deshalb dürfe sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht "unverhältnismäßig niedrig angesetzt" werden. "Eine Entfernungspauschale in der Größenordnung von 20 Cent (statt der heutigen 36-40 Cent, Red.) wäre von den tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Auto meilenweit entfernt und daher nicht zulässig", meinte der FDP-Bundestagsabgeordnete.

Iraks Vizepräsident Ramadan gefasst

Gefangener den US-Truppen übergebenIraks Vizepräsident Ramadan gefasst

Bagdad (rpo). Wie der arabische Sender El Dschasira meldet, konnte Saddam Husseins Stellvertreter Taha Jassin Ramadan el Dschasrawi verhaftet werden. Das bestätigte inzwischen auch das US-Verteidigungsministerium.Von dort hieß es, Ramadan sei den amerikanischen Truppen in Mossul in Nordirak übergeben worden. Die Patriotische Union Kurdistans von Dschalal el Talabani habe versichert, dass Ramadan im Norden des Iraks aufgegriffen worden sei. Der 65-jährige Ramadan galt als Hardliner im Regime von Saddam Hussein. Er steht an 20. Stelle der 55 meistgesuchten Iraker. Er war neben Saddam das längste Mitglied im Revolutionären Kommandorat, dem einstigen Machtzentrum, und Kommandeur der Volksarmee. Dem irakischen Vizepräsidenten werden unter anderem Kriegsverbrechen während der Besetzung Kuwaits vom August 1990 bis Februar 1991 vorgeworfen. Er soll außerdem eine führende Rolle bei der brutalen Niederschlagung der Schiiten-Aufstände im südlichen Irak 1991 gespielt haben. Noch 17 Saddam-Helfer auf der FahndungslisteAuf der Fahndungsliste der USA vom April standen 55 Namen von engen Mitarbeitern des gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein. 36 davon sind mittlerweile gefasst, die beiden Söhne Saddams wurden am 22. Juli getötet. Nach der Festnahme von Ex- Vizepräsident Taha Vassin Ramadan am Dienstag wird noch nach 17 Führungspersonen gesucht, "tot oder lebendig". Dazu zählen vor allem: - Saddam Hussein selbst, "Pik Ass" und Nummer 1 auf der Liste. Zu den Anschuldigungen zählen Massenvertreibungen und Massenmorde an Zivilisten nach den Aufständen von Kurden und Schiiten im Jahr 1991. - Ali Hassan el Madschid, Nummer 5, Mitglied des inneren Führungskreises. Der als "Chemie-Ali" bekannt gewordene Cousin Saddams soll 1988 Giftgas gegen aufständische Kurden eingesetzt haben. Zuletzt war er Kommandeur der Südfront und kam angeblich bei einem Bombenangriff auf Basra ums Leben. Laut Liste des US- Zentralkommandos wird weiterhin nach ihm gesucht. - Isset Ibrahim el Duri, Nummer 6 der Meistgesuchten. Der Vize- Chef des Revolutionären Kommandorats und Kommandeur der irakischen Nordarmee stammte wie Saddam aus Tikrit und galt als dessen Vertrauter. Er soll maßgeblich an der Niederschlagung des Schiitenaufstands von 1991 beteiligt gewesen sein. - Hani Abdel Latif el Tilfah. Die Nummer 7 leitete den Sicherheitsdienst SSO. Der Oberst war ein Neffe Saddams und enger Mitarbeiter seines Sohnes Kusai.

Kelly-Affäre: Umfrage zeigt Vertrauensverlust für Blair

Hälfte der Briten glaubt an "Beschönigung" des DossiersKelly-Affäre: Umfrage zeigt Vertrauensverlust für Blair

London (rpo). Die Kelly-Affäre hat dem britischen Premierminister Tony Blair einen herben Vertrauensverlust bei den Wählern beschert. Das ergab eine Umfrage der Tageszeitung "Guardian".Demnach sind die Hälfte der Briten der Ansicht, dass die Regierung das umstrittene Dossier zum Waffenarsenal des Irak "beschönigt" hat, um so eine Entscheidung für den Krieg zu rechtfertigen. Lediglich 24 Prozent der Befragten sind der Ansicht, das Irak-Dossier sei von der Regierung "nicht aufgebauscht" worden. 68 Prozent sind der Meinung, die Regierung von Tony Blair habe Kelly "unfair" behandelt. Der frühere UN-Waffeninspekteur hatte Mitte Juli Selbstmord begangen, nachdem sein Name als Quelle für einen umstrittenen BBC-Bericht zu dem Geheimdienstdossier publik gemacht worden war.

Wowereit: Schröder fehlt der Mut zum Subventionsabbau

Bürgermeister wünscht sich konsequentere BeschlüsseWowereit: Schröder fehlt der Mut zum Subventionsabbau

Berlin (rpo). Starke Worte aus der eigenen Partei: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat Bundeskanzler Gerhard Schröder mangelnden Mut beim Abbau von Subventionen vorgeworfen. Gerade die Subventionen müssten auf ein Minimum reduziert werden, so Wowereit.Der "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe) sagte Wowereit, er hätte sich von der Regierung konsequentere Beschlüsse gewünscht. Subventionen müssten "auf ein absolutes Minimum reduziert werden", sagte der SPD-Politiker weiter. Er sehe ganz viele Punkte, wo man ansetzen könne. Doch dazu fehle Schröder offenbar der Mut. Als Beispiel nannte der Regierende Bürgermeister die Steinkohle, die Subventionen in der Landwirtschaft und für Häfen. Aber auch die vielen kleinen Möglichkeiten der Steuerminderung wie beispielsweise Mitgliedsbeiträge für den Journalistenverband will Wowereit beseitigt sehen. Insgesamt beurteilt der Chef des rot-roten Senats die Beschlüsse der Bundesregierung jedoch positiv. Er gehe davon aus, dass Berlin von der Reform der Gemeindefinanzen und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe profitieren werde. Beziffern wollte Wowereit die Summe der Einsparungen oder Mehreinnahmen nicht. Bei der Sozialhilfeempfänger aber rechne er damit, dass etwa ein Drittel als arbeitsfähig eingestuft würden und damit die Landeskasse entlasten.

Schlammschlacht zwischen von Beust und Schill

Hamburgs Senator entlassen - Koalition will weitermachenSchlammschlacht zwischen von Beust und Schill

Hamburg (rpo). Der umstrittene Hamburger Innensenator Ronald Schill ist seinen Job los. Bürgermeister Ole von Beust setzte ihm am Dienstag wegen sexueller Anwürfe den Stuhl vor die Tür. Die Regierungsparteien in Hamburg erklärten, die Koalition weiterführen zu wollen.Beust warf dem stellvertretenden Regierungschef Schill vor, seine angebliche homosexuelle Beziehung mit Justizsenator Roger Kusch (CDU) publik machen zu wollen, falls er den umstrittenen Innenstaatsrat Walter Wellinghausen entlasse. Schill wies die Vorwürfe zurück. Beust versetzte Schills Staatsrat Wellinghausen in den einstweiligen Ruhestand. Diesem werden unerlaubte Nebentätigkeiten vorgeworfen. Der Koalitionsausschuss aus CDU, Schill-Partei und FDP erklärte am Abend, das Regierungsbündnis fortsetzen zu wollen. SPD und Grüne forderten Neuwahlen. Als Schills Nachfolger ist Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) im Gespräch. Dieser sagte: "Ich entschuldige mich im Namen der Partei für das, was passiert ist." Es gebe noch keinen Vorschlag für das Amt des Innensenators. Er selbst werde aber "vermutlich" als Zweiter Bürgermeister nachfolgen. Die Staatsanwaltschaft Hamburg erklärte, den Fall Schill wegen möglicher versuchter Nötigung eines Verfassungsorgans dem Generalbundesanwalt vorgelegt zu haben. Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder bezeichnete die Forderung seiner Partei nach Neuwahlen in Hamburg am Abend in Berlin als gerechtfertigt. Die Auseinandersetzung zwischen Beust und Schill nannte er ein "makaberes Schauspiel". Das habe "die stolze und freie Hansestadt Hamburg nicht verdient", sagte Schröder. "Charakterlich nicht geeignet"Beust erklärte nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Schill, in dem die Drohnung gefallen sein soll, dieser sei "charakterlich nicht geeignet". Schills Anwürfe wies er zurück. "Seine Behauptung ist falsch und die Drohung ist ungeheuerlich", sagte Beust. Kusch und er seien gute Freunde, sie würden sich seit 25 Jahren kennen. Der Junggeselle Beust hat bislang noch nie öffentlich über seine sexuellen Neigungen gesprochen. Schill bestritt Drohungen, wonach er Beusts angebliche homosexuelle Neigungen öffentlich machen wollte. "Ich habe ihm mit keinem Wort gesagt, dass ich beabsichtige (...), das in irgendeiner Art und Weise publik zu machen." Gleichzeitig sagte er, es habe seinem Rechtsempfinden widersprochen, dass Mettbach in die Schusslinie geraten war, weil dieser seine Lebensgefährtin als persönliche Referentin eingesetzt hatte, während Beust seinen Lebensgefährten Kusch zum Justizsenator gemacht habe. In der n-tv-Sendung "Maischberger" sprach Schill im Zusammenhang mit der Wohnung des Justizsenators - sie gehört Beust - von einer "Liebeshöhle". Vorwürfe der Erpressung bezeichnete er als "abstrus" und "ungeheuerlich". Über seine Zukunft als Politiker sagte er: "Ich werde in der Fraktion weiterarbeiten." Als Abgeordneter wolle er seinen Beitrag leisten, dass Hamburg noch sicherer werde. FDP-Landeschef Reinhard Soltau sagte nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am Abend, die drei Parteien seien sich einig, ihre "erfolgreiche Arbeit" fortsetzen zu wollen. Die bisherige Ressortaufteilung bleibe bestehen. Mettbach ergänzte: "Wir sind fest entschlossen, den Wählerauftrag für vier Jahre zu erfüllen." Seine Partei werde nun bis Freitag entscheiden, "mit welchem Personal in welcher Funktion" es weiter gehe. SPD-Landeschef Olaf Scholz, auch Generalsekretär der Bundespartei, kritisierte die Wellinghausen-Affäre und die Eskalation als "Tiefpunkt der politischen Kultur in unserer Stadt und weit darüber hinaus". Beust habe zu lange gezögert. "Es war ein schwerer Fehler, sich mit Schill einzulassen", sagte Scholz. Scholz und der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Zuckerer machten deutlich, die Fraktion denke zwar über einen Abwahlantrag gegen den Senat nach, werde aber keine sinnlosen Anträge stellen, wenn es keine parlamentarische Mehrheit gebe. Nach Ansicht der Hamburger GAL- Fraktionschefin Christa Goetsch hat der "unwürdige und empörende" Auftritt Schills deutlich gezeigt, dass dessen Entlassung nötig war. Auch auf Bundesebene zeigten sich Politiker und Verbände empört über Schills Verhalten. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sicherte Beust ihre Unterstützung zu, hieß es aus ihrem Umfeld. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle versprach Beust Rückendeckung der Liberalen in Bund und Land. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hamburg begrüßten Schills Entlassung. GdP- Bundesvorsitzender Konrad Freiberg sagte, für die Polizei gehe ein Albtraum zu Ende.

Rebellenführer in Liberia: "Der Krieg ist aus"

Schiff mit Hilfsgütern gesunkenRebellenführer in Liberia: "Der Krieg ist aus"

Monrovia/Nairobi (rpo). 14 Jahre lang hat in Liberia ein grausamer Bürgerkrieg getobt. Jetzt verkündete der Rebellenführer Sekou Conneh: "Der Krieg ist aus, wir sind bereit, die Waffen abzugeben."Das sagte Conneh, Chef der Rebellenmilizen "Liberianer vereint für Versöhnung und Demokratie" (LURD), am Dienstag dem UN- Nachrichtendienst IRIN. Vor Abend zuvor war von der liberianischen Regierung und Vertretern der Rebellenbewegungen LURD und MODEl in der ghanaischen Hauptstadt Accra ein Friedensabkommen unterzeichnet worden. Am (heutigen) Dienstag sollen die Mitglieder der geplanten Übergangsregierung nominiert werden. Der Chef einer Übergangsregierung soll den jetzigen Präsidenten Moses Blah im Oktober ablösen. Er soll keine Verbindung zu den kriegsführenden Parteien haben. Unterdessen bemühen sich Hilfsorganisationen weiter um die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung. Ein Schiff mit Hilfsgütern im Wert von 86.000 Dollar der christlichen Hilfsorganisation World Vision ist auf dem Weg von Sierra Leone in einem Sturm gekentert. Die 19 Menschen an Bord konnten sich retten, wie die Organisation mitteilte. Es seien jedoch weitere Hilfsgüter auf dem Weg.

Hausverbot für "Kalif von Köln" aufgehoben

Sohn klagte gegen BundHausverbot für "Kalif von Köln" aufgehoben

Köln (rpo). Metin Kaplan, selbsternannter "Kalif von Köln", darf wieder die Wohnung seines Sohnes auf dem Gelände der verbotenen Organisation "Kalifatsstaat" in Köln aufsuchen. Das entschied das Amtsgericht Köln nachdem der Sohn Kaplans gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt hatte."Der Mieter hat grundsätzlich das Recht, Besucher in seiner Wohnung zu empfangen", sagte am Dienstag der Sprecher des Kölner Amtsgerichts Hans-W. Laumen. Die Wohnung war nach dem Verbot der Kaplan-Organisation Eigentum des Bundes geworden. Gegen das Urteil kann die Bundesrepublik Berufung einlegen. Bei dem juristischen Streit gehe es um eine "mietrechtliche Klage". Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte Kaplan untersagt, die Wohnung des Sohnes zu betreten. Solche Besuche dürften zwar ausnahmsweise eingeschränkt werden, allerdings müssten sie für den Vermieter unzumutbar sein, sagte Laumen. "Die Unzumutbarkeit wäre nur dann gegeben, wenn Herr Kaplan seine Besuche in der Wohnung des Sohnes dazu genutzt hätte, seine verfassungsfeindliche Betätigung in einer Nachfolgeorganisation des verbotenen Vereins wieder aufzunehmen", sagte Laumen. Dafür gebe es nach Auffassung des Gerichts jedoch keine Anhaltspunkte. Die Räume des von Schily verbotenen "Kalifatsstaat" befänden sich auf einem angrenzenden Gelände.

Bombe explodiert im Haus von Karsais Bruder

Niemand verletztBombe explodiert im Haus von Karsais Bruder

Kandahar (rpo). Eine Bombe ist am Dienstag im Haus vom Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai explodiert. Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand, über dem Grundstück von Ahmed Wali Karsai stieg eine dunkle Rauchwolke auf.Karsai hielt sich zum Zeitpunkt der Explosion nicht im Haus auf. Die Polizei erklärte, zunächst habe sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Sicherheitskräfte riegelten den Tatort ab. Die Behörden hatten in der Vergangenheit Mitglieder der Taliban und ihrer Verbündeten für Bombenanschläge im Süden und Osten Afghanistans verantwortlich gemacht. Ahmed Wali Karsai ist der Vertreter des Präsidenten in Kandahar, ein offizielles Amt übt er jedoch nicht aus. Karsai hatte kürzlich den Gouverneur der Region, Gul Agha Schersai, durch einen anderen Paschtunen ersetzt. Damit wollte er die Macht der regionalen Kommandeure begrenzen und so die Autorität der Regierung über die Hauptstadt Kabul hinaus stärken.

US-Soldat bei Explosion in Bagdad getötet

Zwei Iraker von Streitkräften erschossenUS-Soldat bei Explosion in Bagdad getötet

Bagdad (rpo). Erneut ist ein US-Soldat bei einer Explosion in Bagdad ums Leben gekommen. In der Nähe von Tikrit wurden zwei Soldaten von Angreifern verletzt, nachdem irakische Kämpfer einen Konvoi mit Granaten beschossen hatten. Das teilte ein Militärsprecher mit. Die Ursache der Explosion war zunächst unklar. Wie er weiter berichtete, töteten Soldaten bereits am Sonntagabend zwei Iraker. Bei dem einen habe es sich um einen Plünderer gehandelt, der auf Warnschüsse nicht reagiert habe. Der zweite habe sich geweigert, mit seinem Auto an einer Straßensperre nördlich von Bagdad anzuhalten. Erneute PlünderungenIn der irakischen Hauptstadt kam es offenbar erneut zu Plünderungen. Im Nordosten Bagdads gingen am Montag mehrere Lagerhäuser in Flammen auf, die nach Angaben eines irakischen Wachmanns von Plünderern entfacht wurden. Etwa 50 Bewaffnete hätten die Lager gestürmt, Ersatzteile von Bussen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln entwendet und alte Reifen in Brand gesteckt.

Indonesien identifiziert neun mutmaßliche Attentäter

Festnahmen schon vor AnschlagIndonesien identifiziert neun mutmaßliche Attentäter

Jakarta (rpo). Die indonesische Polizei hat zwei Wochen nach dem blutigen Anschlag auf ein Hotel in Jakarta neun Verdächtige identifiziert. Sechs von ihnen seien schon vor dem Anschlag festgenommen worden. Diese seien aber nach eigenem Eingeständnis an der Planung und Finanzierung beteiligt gewesen, sagte Chefermittler Erwin Mapasseng am Dienstag. Die drei übrigen sollen den Sprengstoff für den Anschlag von der Insel Sumatra nach Jakarta transportiert haben. Einer der Verdächtigen, Idris alias Jhoni Hedrawan, habe den Selbstmordattentäter für den Anschlag rekrutiert, bei dem zwölf Menschen getötet und 150 verletzt wurden. Hendrawan sei auch an den Anschlägen auf Bali im Oktober beteiligt gewesen. Einer seiner Komplizen, Toni Togar, soll zur Finanzierung des Anschlags auf das Marriott-Hotel eine Bank ausgeraubt haben. Die Polizei fahndet noch nach den mutmaßlichen Drahtziehern des Anschlags, zwei Malaysiern und einem Indonesier.

Liberia: Rebellen und Regierung schließen Friedensabkommen

Mehrmonatige Verhandlungen erfolgreichLiberia: Rebellen und Regierung schließen Friedensabkommen

Accra (rpo). Vertreter der liberianischen Regierung und Rebellen haben nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg am Montag in der ghanaischen Hauptstadt Accra ein Friedensabkommen unterzeichnet. Mehr als zwei Monate wurde über den Vertrag verhandelt.Der Vertrag wurde auch von Vertretern der Parteien und anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen unterzeichnet. Eine für Oktober geplante Übergangsregierung soll innerhalb von zwei Jahren freie Wahlen ermöglichen. Die Hauptrebellengruppen, LURD ((Liberianer vereint für Versöhnung und Demokratie) und MODEL (Bewegung für Demokratie in Liberia), sollen nach Angaben aus Verhandlungskreisen je 12 Sitze in dem 76-sitzigen Parlament bekommen. Der Termin zur Unterzeichnung des Friedensabkommens war schon mehrfach verschoben worden. In der Nacht zum Montag hatte die Rebellengruppe LURD jedoch ihre Forderung nach dem Posten des Vizepräsidenten fallen lassen.

Rente: Schmidt hofft auf Allparteien-Konsens

Möglicherweise noch minimale RentenerhöhungRente: Schmidt hofft auf Allparteien-Konsens

Hamburg (rpo). Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hofft auf ein gemeinsames Vorgehen mit den großen Oppositionsparteien bei der Rente nach dem Vorbild der Gesundheitsreformen. Schmidt begrüßte die Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe) sagte sie: "Ich baue auch darauf, dass im Herbst Vorschläge der Herzog-Kommission der Union zur Rente vorliegen. Wenn wir langfristig bei der Rentenanpassungsformel etwas verändern, wenn wir die Frühverrentung wirklich stoppen wollen, brauchen wir ein Gesamtpaket. Dazu wäre es gut, wenn die großen Parteien auch dabei zusammenarbeiten würden." Noch nicht ausgemachtPositiv äußerte sich Schmidt zum Vorschlag der Rürup-Kommission, das Renteneintrittsalter schrittweise ab 2011 bis 2035 von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen. Hoffnung machte sie den Rentnern, die im kommenden Jahr womöglich doch noch mit einer minimalen Rentenerhöhung rechnen könnten. "Ausgemacht ist eine Null-Runde noch lange nicht", so Schmidt. Die Rürup-Kommission setzt sich nach einem Bericht des "Handelsblatts" für eine Verschiebung der Rentenanpassung im nächsten Jahr um ein halbes Jahr ein. Einen entsprechenden Vorschlag wolle das Gremium am 28. August mit seinem Abschlussbericht zur Rentenreform der Bundesregierung machen. Dies ergibt sich aus Unterlagen der Kommission, die dem "Handelsblatt" (Dienstag) vorliegen. Folge die Koalition dem Vorschlag, erhielten die Rentner ihre nächste Rentenerhöhung statt am 1. Juli 2004 erst am 1. Januar 2005. Durch die Verschiebung könnte der Rentenbeitrag dauerhaft um 0,2 Prozentpunkte gesenkt werden, begründet die Kommission ihre Forderung. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat die von der Rürup-Kommission geforderte Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre verteidigt. "Die Menschen leben heutzutage vier bis fünf Jahre länger als früher, also müssen sie auch länger arbeiten", sagte Raffelhüschen dem "Mannheimer Morgen" (Dienstag). Bislang sei die höhere Lebenserwartung immer zu 100 Prozent in die Verlängerung der Rentenzeit eingeflossen, betonte der Finanzexperte, der Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme ist. "Länger gearbeitet hat keiner."Sager: Altersarmut ausgeschlossenTrotz der Finanzprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung hat die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Krista Sager, einen Anstieg der Altersarmut in Deutschland langfristig ausgeschlossen. Sager sagte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, zwar werde der Anteil der gesetzlichen Renten an der Gesamtversorgung zurückgehen, doch werde auf der anderen Seite die staatlich geförderte kapitalgedeckte Privatrente diese Lücke füllen. Deshalb werde der Einzelne nicht weniger haben, und das Rentenniveau werde gleich hoch bleiben, versprach die Grünen-Politikerin. Voraussetzung sei aber, dass die Bürger die privaten Altersvorsorgemöglichkeiten auch nutzten.

Vier Todesurteile wegen Anschlägen in Casablanca

Prozess gegen 87 mutmaßliche militante IslamistenVier Todesurteile wegen Anschlägen in Casablanca

Casablanca (rpo). Ein marokkanisches Gericht hat drei Monate nach den Anschlägen in Casablanca vier Verdächtige zum Tode verurteilt. Ihnen wird wird vorgeworfen, dass sie an der Planung der Anschlagsserie am 16. Mai beteiligt waren und ursprünglich als Selbstmordattentäter agieren wollten. 83 weitere Angeklagte wurden zu bis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Alle sollen Mitglieder der Untergrundorganisation Salafiya Jihadia sein, der die marokkanische Regierung Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida vorwirft. Bei den fünf Bombenanschlägen auf jüdische Einrichtungen und ein spanisches Restaurant in Casablanca waren im Mai 32 Passanten sowie zwölf Attentäter ums Leben gekommen. Die vier zum Tode verurteilten waren nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls als Selbstmordattentäter vorgesehen. Einer von ihnen gestand, er habe "gehofft, mich in die Luft sprengen zu können" - vor einem Hotel, das zu den Anschlagszielen zählte. Zur Begründung erklärte er, er sei mit der politischen Situation in Marokko nicht zufrieden. Über 30 lebenslange FreiheitsstrafenVon den übrigen Angeklagten wurden über 30 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie an der Vorbereitung letztlich fehlgeschlagener Anschläge auf Touristen beteiligt gewesen sein sollen. Zu den Zielen zählten die Altstadt von Marrakesch sowie die Badeorte Agadir und Essaouira. Drei geistliche Führer von Salafiya Jihadia wurden zu 30 Jahren Haft verurteilt. Die niedrigste Strafe betrug zehn Monate. Der Prozess hatte am 21. Juli begonnen. Seit den Anschlägen wurden in Marokko über 240 mutmaßliche Anhänger der Salafiya Jihadia festgenommen.