"Akt des Terrorismus"Irak: Erste Festnahmen nach Anschlag von Nadschaf
Crawford/Bagdad (rpo). Im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag vor der Moschee in Nadschaf hat die irakische Polizei vier Personen festgenommen worden, wie ein führender Polizeioffizier am Samstag mitteilte. Derweil wurde offenbar ein neuer Anschlag vereitelt.Alle Verhafteten hätten Verbindungen zur Terrororganisation El Kaida. Die eingesetzte Bombe sei aus den gleichen Materialien hergestellt gewesen wie die Sprengsätze bei den Anschlägen auf das UN-Büro und die jordanische Botschaft in Bagdad, berichtete ein Polizeisprecher. Die vier Männer haben sich als Drahtzieher für den blutigen Anschlag vor der Imam-Ali-Moschee in Nadschaf am Freitag bekannt. Dies berichtete der US-Fernsehsender Fox am Samstag. Die von irakischen Sicherheitskräften festgenommenen Araber stammten nicht aus Nadschaf; zwei von ihnen seien aus Saudi-Arabien. Weitere drei Verdächtige befänden sich noch auf der Flucht. Der arabische TV-Sender El Dschasira (Katar) meldete am Samstag, in der Nähe des Tatortes vom Freitag sei ein weiteres Fahrzeug mit Sprengstoff entdeckt worden. US-Truppen seien für die Entschärfung herangezogen worden. Allerdings verweigerten die Schiiten den US- Soldaten den Zutritt zum Anschlagsort vom Vortag und beriefen sich dabei auf religiöse Gründe. Religiöse Gruppen verurteilen AnschlagTausende von Irakern reisten am Samstag zu den Trauerfeierlichkeiten nach Nadschaf für den am Freitag bei einem verheerdende Bombenanschlag getöteten Ajatollah Mohammed Bakr el Hakim. Der einflussreiche Schiitenführer und über 120 seiner Anhänger waren am Freitag bei einem verheerenden Autobombenanschlag vor der Imam-Ali-Moschee getötet worden. Am frühen Samstagmorgen suchten immer noch Menschen in den Trümmern nach Opfern. Der von den USA eingesetzte irakische Regierungsrat ordnete eine dreitägige Trauer zum Gedenken an Hakim an. Nach vorläufigen Schätzungen wurden auch rund 200 Personen verletzt. Saijid Mohsen Hakim, ein Neffe von Bakr el Hakim, sagte, die Trauerfeierlichkeiten für seinen toten Onkel würden am Sonntag in Kasemayn beginnen. Von dort würde die Leiche nach Kerbela und nach Nadschaf gebracht, um dort am Montag oder Dienstag beigesetzt zu werden. Alle drei Orte liegen südlich von Bagdad und sind den Schiiten heilig. Der 64-jährige Bakr el Hakim war Vorsitzender des Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak (SCIRI). Das Blutbad vom Freitag ist von allen religiösen Gruppierungen im Irak verurteilt worden, darunter den Sunniten und den mit SCIRI rivalisierenden Schiiten unter Muchtada el Sadr. Der Provisorische Regierungsrat in Bagdad rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Auch im benachbarten Iran, wo Bakr el Hakim 23 Jahre lang im Exil lebte, gilt eine dreitägige Staatstrauer. Der Führer des Irakischen Nationalkongresses (INC), Ahmed Chalabi, sprach von einem Anschlag auf alle Iraker und vermutete als Urheber Anhänger des gestürzten Diktators Saddam Hussein.Bush: "Akt des Terrorismus"Als einen "Akt des Terrorismus" hat US-Präsident George W. Bush den Anschlag in der irakischen Pilgerstadt Nadschaf scharf verurteilt. Nach neuesten Angaben kamen wohl mindestens 125 Menschen zu Tode.Der Anschlag sei gegen die Hoffnungen der Iraker nach Freiheit, Frieden und Aussöhnung gerichtet, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses vom Freitagabend. Bush erklärte, er habe die Amerikaner im Irak angewiesen, eng mit den irakischen Sicherheitsbehörden und dem Provisorischen Regierungsrat zusammenzuarbeiten, um die Urheber des Terroranschlags zu finden und sie vor Gericht zu stellen. Bush sprach den Angehörigen der Opfer sein "tiefstes Mitgefühl" aus. Bush hält sich zur Zeit auf seiner Ranch in Crawford im US-Bundesstaat Texas auf. Auch US-Außenminister Colin Powell verurteilte das Attentat scharf. Es sei ein "abscheuliches Verbrechen" gegen das irakische Volk und die internationale Gemeinschaft. Der Anschlag verdeutliche erneut, dass "wir alle Opfer des Terrorismus sind".UN-Generalsekretär Kofi Annan ist entsetztDesgleichen verurteilte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Terroranschlag aufs Schärfste. In einer Stellungnahme der Vereinten Nationen vom Freitagabend in New York heißt es, Annan sei entsetzt, dass der Anschlag gerade nach dem Freitagsgebet an einem der heiligsten Orte für die Schiiten stattgefunden habe. Annan forderte alle politischen und religiösen Gruppen im Irak zu größter Zurückhaltung auf. Sie sollten von weiterer Gewaltanwendung und Rache Abstand nehmen. Der UN-Generalsekretär betonte, er glaube, dass nur ein glaubwürdiger, umfassender und transparenter politischer Prozess zu Frieden und Stabilität im Irak führen könnte. Die Moschee in Nadschaf, rund 150 Kilometer südlich von Bagdad, ist eine der heiligsten Stätten der Schiiten. Es ist bereits der dritte schwere Autobombenanschlag im Irak in diesem Monat. Am 19. August starben bei einem Anschlag auf das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Bagdad 23 Menschen, darunter der UN- Menschenrechtskommissar und Sonderbeauftragte für den Irak, Sergio Vieira de Mello. Am 7. August wurden vor der jordanischen Botschaft in Bagdad elf Menschen durch eine Autobombe getötet. Zwei Autos seien in die Luft geflogenAls Bakr el Hakim in Begleitung seiner Leibwächter nach dem Freitagsgebet die Moschee in Nadschaf verlassen habe, seien zwei Autos in die Luft geflogen, sagte sein Neffe Mohsen Hakim. Bakr el Hakim war der Vorsitzende des Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak (SCIRI). SCIRI ist eine der wichtigsten und einflussreichsten Schiitenorganisationen des Landes. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Nach Ansicht von SCIRI ist das Attentat das Werk von Anhängern des gestürzten irakischen Machthabers Saddam Hussein. Das erklärte Dhia Aidabass, offizieller SCIRI- Vertreter in Deutschland, im Gespräch mit der "Rhein Zeitung" (Koblenz). Die Nachricht vom Tod Hakims löste Empörung und Demonstrationen in die schiitischen Bevölkerung des Irak aus. Beschuldigt wurden Anhänger Saddam Husseins, Amerikaner und Israelis. Tausende demonstrierten in der Hauptstadt Bagdad und schworen Rache. Der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, verurteilte das Attentat auf Bakr el Hakim scharf und versprach die Hilfe der alliierten Truppen bei der Aufklärung des Verbrechens. Die Feinde eines neuen Iraks schreckten vor nichts mehr zurück, heißt es in einer in Bagdad verbreiteten Erklärung Bremers. Fischer: Verantwortliche müssen unnachsichtig bestraft werdenBundesaußenminister Joschka Fischer sagte am Freitag: "Die Verantwortlichen müssen ermittelt und unnachsichtig bestraft werden." Iran, wo Hakim lange im Exil gewesen war, verurteilte den Anschlag auf das Schärfste. Der oberste geistliche Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, ordnete ebenfalls eine dreitägige landesweite Staatstrauer an. In Nadschaf hat es seit dem Sturz von Präsident Saddam Hussein immer wieder Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der wichtigsten schiitischen Führer gegeben. Der Oberste Rat hat mit Abdelasis el Hakim einen Bruder des SCIRI-Chefs als Vertreter in den 25 Mitglieder umfassenden Provisorischen Regierungsrat im Irak entsandt. Er wird voraussichtlich den getöteten Schiitenführer ersetzen. Für die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Besatzungsmacht ist SCIRI von anderen schiitischen Gruppen wiederholt kritisiert worden. Während der Herrschaft von Saddam Hussein hatte SCIRI sein Hauptquartier Jahrzehnte lang in Teheran. Bakr el Hakim war nach dem Sturz des Saddam-Regimes im Mai nach 23 Jahren aus dem iranischen Exil in seine Heimat zurückgekehrt.