Kairo Ägypten erhält islamistische Verfassung

Kairo · Gerade einmal ein Drittel der Ägypter hat sich an der Volksabstimmung über die Verfassung beteiligt. Überschattet wurde das Referendum von Berichten über Manipulationen. Die Opposition will das Ergebnis anfechten.

Gerade einmal ein Drittel der Ägypter hat sich an der Volksabstimmung über die Verfassung beteiligt. Überschattet wurde das Referendum von Berichten über Manipulationen. Die Opposition will das Ergebnis anfechten.

Ersten Hochrechnungen zufolge ist die neue Verfassung Ägyptens angenommen worden. Nach der zweiten und letzten Runde des Referendums ergibt sich nach Angaben der Partei der Muslimbrüder eine Zustimmung von rund 64 Prozent. Das offizielle Ergebnis wird zwar erst für heute Nachmittag erwartet. Jedoch stammen die vorläufigen Angaben von der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, deren Vorsitzender Mohammed Mursi war, bevor er ins Präsidentenamt gewählt wurde. Auch bei den zurückliegenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen lagen die Prognosen der Muslimbrüder nah am Endergebnis.

Das Resultat zeigt einmal mehr, dass Wahlen in Ägypten vornehmlich in ländlichen Gebieten entschieden werden, wo Muslimbrüder und Salafisten einen Großteil ihrer Anhänger haben. Großstädter wie etwa in Kairo haben dagegen am 15. Dezember mit Nein gestimmt. Die Wahlbeteiligung fiel äußerst niedrig aus. Gerade einmal 32 Prozent beteiligten sich an der Abstimmung.

Die Opposition lehnt die Verfassung als Machwerk der Islamisten ab und will das Wahlergebnis anfechten. Mohammed el Baradei, Vorsitzender der Nationalen Heilsfront, eines Zusammenschlusses mehrerer Oppositionsgruppen, warf der Regierung Wahlfälschung vor. Es habe unzählige Verstöße gegeben, heißt es in einer Mitteilung des Friedensnobelpreisträgers. Das Justizministerium kündigte an, die mehr als 3000 ernst zu nehmenden Hinweise von unabhängigen Wahlbeobachtern auf Manipulation zu prüfen. Unter anderem sollen Anhänger islamistischer Gruppen Bürger vor den Wahllokalen eingeschüchtert haben, damit diese für die Verfassung stimmen. Eine Annullierung des Ergebnisses ist aber unwahrscheinlich.

Die Nationale Heilsfront kündigte daher an, weitere Straßenproteste zu organisieren. Friedliche Aktionen sollten so lange fortgesetzt werden, bis die neue Verfassung wieder falle, hieß es. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Massenproteste und auch tödliche Krawalle in Ägypten gegeben.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich besorgt: "Anerkennung wird eine neue Verfassung nur finden können, wenn das Verfahren zu ihrer Annahme über alle Zweifel erhaben ist. Vorwürfen über Unregelmäßigkeiten muss deshalb zügig, transparent und konsequent nachgegangen werden", erklärte Westerwelle.

Wenige Stunden vor dem Ende der Abstimmung hatte Vizepräsident Mahmud Mekki seinen Rücktritt erklärt. Er wies darauf hin, dass in dem Entwurf zur neuen Verfassung das Amt des stellvertretenden Staatsoberhauptes nicht vorgesehen sei. Eine konkrete Begründung für seine Entscheidung lieferte er nicht.

Die Ägypter müssen sich nun auf eine weitere Abstimmung vorbereiten: Innerhalb von zwei Monaten müssen sie ein neues Parlament bestimmen. Beobachter rechnen damit, dass die Islamisten nach einer Reihe von Wahlerfolgen dann erstmals einen Dämpfer bekommen könnten.

(RP)
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