Kolumne Studentenleben Vom Privileg des Schreibens

Auf Bestellung etwas Lesenswertes zu Papier bringen, das ist nicht immer einfach. Unser Autor hat dafür verschiedene Strategien, die angesichts der Geschehnisse in der Ukraine aber alle nicht recht funktionieren wollten. An Ende ist es doch gelungen.

 Luca Schafiyha studiert Germanistik und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Luca Schafiyha studiert Germanistik und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Schafiyha

Als letzte Woche die Mail mit der freundlichen Erinnerung kam, dass ich doch bitte an meine Kolumne denken solle, fühlte ich zum ersten Mal eine Art innere Leere. Ein Gefühl des Unvermögens und Ratlosigkeit über den Inhalt genau dieser Kolumne. Das war tatsächlich neu für mich, nach beinahe 20 Kolumnen und diversen geschriebenen Artikeln. 

Normalerweise läuft das Schreiben der Kolumne immer gleich ab. Ich bekomme die Erinnerungsmail, dann setze ich mich an den Text, tippe drauflos und korrigiere mal mehr, mal weniger. Ich suche mir natürlich meist ein übergeordnetes Thema aus und versuche, dabei auf mehrere untergeordnete Aspekte einzugehen. Manchmal, wenn ich unzufrieden bin, verwerfe ich den kompletten Text. Und manchmal, so wie jetzt, folge ich meinem Bewusstseinsstrom („Stream of Consciousness“) und schreibe munter, was mir in den Sinn kommt.

Die letztere Methode kommt oft gut an, lesen sich solche Texte doch meist flüssig und werden oft als witzig oder zumindest unterhaltsam wahrgenommen. Nur dieses Mal gibt es einen bedeutenden Unterschied: Nämlich den, dass es momentan irgendwie nichts zu lachen gibt. Zumindest ist es das, was ich momentan fühle. 

Gehe ich nun auf das Weltgeschehen ein? Schreibe ich etwas Erbauliches, um von den dramatischen Entwicklungen abzulenken? Thematisiere ich Eurozentrismus oder den unterschiedlichen Umgang unserer Gesellschaft in Sachen Solidarität mit Flüchtenden und Vertriebenen aufgrund ihrer Herkunft? Oder hebe ich das Engagement der Menschen hervor, die sich nun aufopferungsvoll der humanitären Hilfe widmen? 

Für was ich mich auch entscheide, es fühlt sich unwichtig an. Unwichtig was ich darüber denke, unwichtig wie es mir dabei geht und unwichtig, an welche Werte ich auch immer appellieren mag. Mir geht es gut, viel zu gut um genau zu sein. Und es fühlt sich bescheiden an, mit so vielen Privilegien so wenig ausrichten zu können, um das unfassbare Leid vieler Menschen wenigstens ein bisschen zu lindern.

 Nichtsdestotrotz muss diese Kolumne geschrieben werden, und ich fühle, dass ich keine andere Wahl habe, als dem Weltschmerz und der Resignation abzuschwören um einen lockeren Umgang mit so schwerwiegenden Entwicklungen zu erlangen. Also: Stream-of-Consciousness-mäßig drauflos getippt. Ein kleiner Blick auf die Anzahl der Zeichen ohne Leerzeichen verrät mir, dass ich noch Platz habe und die Kolumne hier nicht enden kann. Vielleicht noch eine witzige Schlusspointe? Wirkt fehl am Platz. 

Es ist unabsehbar, was noch so alles passieren wird, bis mich die nächste Erinnerungsmail erreicht. Absehbar ist dagegen die Tatsache, dass ich mir bis dahin Gedanken machen muss, was ich schreibe und wie ich es schreibe. Die Welt wird bis dahin wahrscheinlich nicht über Nacht zu einem paradiesischen Ort des Friedens werden. Aber mein Ziel bis dahin muss es sein, mir auch in schwierigen Zeiten die Freude am Schreiben zu bewahren. Und diese Zielsetzung ist nun wirklich ein Privileg, um das ich mehr als froh bin.

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