Kolumne Dozentenleben Revolution in Padua

Gleichberechtigung hat viele Facetten. Unsere Autorin hat in die italienische Stadt Padua geschaut. 88 Säulen mit berühmten Söhnen der Stadt zieren dort das Erscheinungsbild. Erst in diesem Jahr schaffte es nun die erste Frau in den illustren Kreis. Und das nur knapp.

 Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Schaller,Bernd (bs)/Schaller, Bernd (bs)

In der altehrwürdigen Universitätsstadt Padua gibt es seit knapp 250 Jahren einen wunderbaren großen Platz, den Prato della Valle, der mit Wasserläufen, Grasflächen und Bäumen wie ein kleiner Park angelegt ist. Er ist der größte innerstädtische Platz in ganz Italien, benachbart einer der größten Kirchen überhaupt. Und damit sich die kleine Stadt auch unter die Geistesgrößen reihen konnte, wurden für den Platz lebensgroße Statuen geplant, die bedeutende Paduaner darstellen sollten. 88 Säulen warteten darauf, mit Figuren von Menschen geschmückt zu werden, die – das waren die Bedingungen – schon verstorben und keine Heiligen waren, weil diese der Kirche vorbehalten sind. Zudem mussten sie einen Bezug zur Stadt Padua haben, deren Ruhm sich auf die Weise mehren sollte.

Eine einzige Frau, eine Dichterin, wurde mit eingeplant, schaffte es dann aber doch nicht als Standbild auf eine Säule, sondern ist bis heute nur als kleine Büste zu Füßen eines Mannes präsent. Seit Napoleons Soldaten sechs venezianische Dogen vom Sockel holten, waren deren Säulen leer. Und nun kommt das Revolutionäre: Im Jahr des Herrn 2022 stimmt der Stadtrat zu Padua mit 19 Ja-Stimmen gegen 14 Enthaltungen (!) dafür, auf eine der freien Säulen die Statue einer Frau zu stellen. Und zwar einer außergewöhnlich klugen Frau: Elena Lucrezia Cornaro war eine Gelehrte, die sieben Sprachen beherrschte, darunter Arabisch, sich aber hauptsächlich mit Mathematik und Philosophie beschäftigte. Sie war weltweit die erste Frau, die einen Doktorgrad erhielt. Wem wird sie nun Gesellschaft leisten auf dem Prato della Valle? Dichtern, Wissenschaftlern, Legionären, weltlichen Herrschern und vier Päpsten, deren Verdienst unter anderem darin besteht, aus der Gegend von Padua zu stammen. Über einen dieser Päpste, Paul II., ist bekannt, dass er sich gern Papst Formosus, der Schöne, genannt hätte, und dass er außerordentlich dumm war.

Ich fürchte, dass wir noch mindestens weitere 250 Jahre warten müssen, bis man in Padua eine Statue für eine richtig dumme Frau aufstellt. Aber das wäre dann ein wahrer Akt der Gleichstellung.

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