Alumni-Interview Hera Lind Voller Überraschungen

Hera Lind wollte eigentlich Lehrerin werden. Wieso sie dann doch als Sängerin arbeitete, wie sie dazu kam, Romane zu schreiben, und warum sie nichts anders gemacht hätte, verrät die Bestsellerautorin im Interview.

 Hera Lind sprach im Alumni-Interview über ihren Werdegang.

Hera Lind sprach im Alumni-Interview über ihren Werdegang.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Hera Lind In Köln gibt es die Musikhochschule mit dem berühmten Chor „Pro Musica Köln“, deren Leiter mein Onkel ist. Er stellte mir in Aussicht, 1978 mit auf die Südamerika-Tour fahren zu dürfen, wenn ich in Köln studiere. Da habe ich nicht lange überlegt.

Wieso sind Sie von Ihrem Plan abgekommen, Lehrerin zu werden?

Lind An der Pädagogischen Hochschule habe ich damals mein 1. Staatsexamen gemacht, sogar mit der Gesamtnote 1. Aber inzwischen hatte ich einen Platz für Sologesang an der Musikhochschule Köln ergattert. Jahrelang habe ich zweigleisig studiert, mich dann aber für eine Gesangskarriere entschieden.

Wie kamen Sie dazu, Bücher zu schreiben?

Lind Nachdem ich 16 Jahre lang als Konzert- und Opernsängerin tätig war und als festes Mitglied im Kölner Rundfunkchor mein Geld verdiente, konnte ich eines Tages 1987 hochschwanger nicht mehr mit auf eine Konzerttournee nach Japan. Da habe ich aus lauter Langeweile angefangen zu schreiben. Gleich der erste Roman „Ein Mann für jede Tonart“, der im Sänger-Milieu spielt, wurde ein Millionen-Bestseller. Glück gehabt!

Wie oder besser wo finden Sie Ihre Geschichten?

Lind Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass ich nur noch wahre Geschichten schreibe. Die Tatsachenromane kommen beim Lesepublikum wahnsinnig gut an. So werden mir täglich im Schnitt drei bis vier wahre Lebensgeschichten zugeschickt, und bei jeder Hundertsten springt der Funke über. Dann realisiere ich den Stoff.

Haben Sie ein Wunschthema, über das Sie gerne schreiben würden, aber noch nicht haben?

Lind Ich habe 17 verschiedene Themenbereiche schon bearbeitet; die letzten drei handelten von Schicksalen in der damaligen DDR. Aber die Palette ist unglaublich bunt, ebenso wie das Leben wirklich ist. Meine nächste Geschichte handelt von der Liebe einer dreifachen Mutter zu einem katholischen Priester. Das ist natürlich ein Traum-Stoff.

Wie viel  Zeit  nehmen  Sie sich für die Recherche?

Lind Etwa ein Jahr. Es dauert oft monatelang, bis ich den nächsten passenden Stoff gefunden habe, und dann treffe ich die Protagonistin. Als nächstes besichtige ich die Orte, an denen die Handlung spielt. Gerade war ich im Frauengefängnis Hoheneck und bin immer noch völlig geschockt, wie meine Protagonistin es dort dreieinhalb Jahre aushalten konnte. Das Schreiben selbst geht dann relativ schnell, weil ich komplett in die Geschichte eintauche und wochenlang gar nicht mehr zu sprechen bin.

Was fällt Ihnen beim Schreiben am schwersten?

Lind Es ist immer wieder mühsam, morgens in den Stoff hineinzufinden, den ich am Abend abgespeichert habe. Manchmal brauche ich zwei Stunden, um mit dem ersten Wort zu beginnen. Aber wenn ich wieder eingetaucht bin in den Text und die Handlung, schreibt es sich fast wie von selbst. Dann brauche ich wieder ein, zwei Stunden, um ins wahre Leben zurückzukehren.

Was raten Sie Studenten, die mit sich hadern, ob sie das richtige Studium gewählt haben?

Lind Von meinen vier erwachsenen Kindern sind noch zwei im Studium. Gerade hatte ich ein längeres Gespräch mit meiner Tochter. Ich habe ihr geraten, das zu studieren, was sie wirklich interessiert, wofür sie brennt, was sie wirklich wissen und verinnerlichen möchte. Für einen „Schein“ oder für „Punkte“ zu studieren, nur um ein Papier vorweisen zu können, ist verlorene Liebesmüh. Heutzutage kommen die Jobs auf andere Weise als früher. Wenn jemand voller Leidenschaft für etwas ist, wird er es auch erreichen.

Anders gemacht hätte ich ...?

Lind Im Studium eigentlich nichts. Ich habe zwei volle Studiengänge durchgezogen und beide mit Auszeichnung abgeschlossen. Witzigerweise ist mein Leben dann mit der Schriftstellerei völlig anders verlaufen; außer meiner Fantasie und meinem Fleiß brauche ich dafür gar nichts. Deshalb bin ich wohl ein Paradebeispiel dafür, dass das Leben eine Menge Überraschungen bereithält, wenn wir nur dafür offen sind.

Hera Lind (61) studierte Theologie und Germanistik an der Universität zu Köln.

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