Katholische Kirche Papst kritisiert kinderlose Paare mit Haustieren – warum nur?

Meinung | Düsseldorf · Haustiere nähmen oft den Platz von Kindern ein, behauptet Franziskus in einer Audienz in Rom und fordert Paare auf, sich für Kinder zu entscheiden. Das ist ein seltsamer Zugang, der falsche Größen gegeneinander ausspielt. Dabei liegen die Ursachen für Kinderlosigkeit woanders.

 Papst Franziskus während seiner ersten Generalaudienz im neuen Jahr.

Papst Franziskus während seiner ersten Generalaudienz im neuen Jahr.

Foto: dpa/Alessandra Tarantino

 Papst Franziskus hat sich an den Feiertagen anscheinend eingehend mit dem Thema Mutterschaft befasst. Das wurde schon in seinen Predigten deutlich. Nun hat er bei einer Generalaudienz im Vatikan die Vorzüge der Elternschaft gepriesen – und Paare ohne Kinderwunsch kritisiert. „Viele Paare haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben nur eins – aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen", beklagte der 85-Jährige. Haustiere nähmen oft den Platz von Kindern ein, der Gesellschaft gehe „der Reichtum der Vaterschaft und der Mutterschaft“ verloren. Franziskus ermutigte Paare, Kinder zu bekommen oder, wenn dies aus biologischen Gründen nicht möglich sei, über eine Adoption nachzudenken. „Ein Kind zu bekommen ist immer ein Risiko, ob auf natürlichem Wege oder durch Adoption. Aber es ist riskanter, keine zu bekommen“, sagte er.

Nun kann die Liebe zu Haustieren bizarre Züge annehmen. Wenn Menschen gesunde Vierbeiner angeschnallt in Kinderwagen durch den Wald schieben, können einen Zweifel am Sinn von Tierliebe beschleichen. Ebenso beim Blick auf die immer weiter steigenden Ausgaben für Tierzubehör in der westlichen Welt. Doch der seltsame Zugang des Papstes, Tierliebe gegen Kinderliebe auszuspielen, und Paaren ohne Kinderwunsch zu unterstellen, sie verschwendeten ihre Zuneigung ans falsche Objekt, klingt nicht nur merkwürdig. Es folgt einer seltsam unchristlichen Vorstellung von Liebe als begrenztem Gut. Als habe jedes Paar nur einen gewissen Vorrat an Liebe zu Hause, und wenn es dieses Liebesvolumen an ein Haustier verschenke, sei für Kinder nichts mehr übrig. Dabei ist Liebe doch bekanntlich das einzige, das wächst, indem wir es verschwenden. Und natürlich kann man Tiere und Kinder gern haben. Man kann sogar in beidem Gottes Schöpfung sehen.

Diese Geschichte gibt es auch zum Hören - exklusiv für Sie. Abonnieren Sie jetzt unsere RP Audio-Artikel in Ihrer Podcast-App!

Noch bedenklicher ist, dass der Papst gewollt kinderlosen Paaren allerhand unterstellt. Schon 2014 hatte er es in einem Interview als eine Form des „kulturellen Verfalls" bezeichnet, wenn Paare Haustiere anstelle von Kindern hätten. Die emotionalen Beziehungen zu Haustieren seien „einfacher“ als die „komplexe“ Beziehung zwischen Eltern und Kindern, sagte er damals. Als träfen Paare die Entscheidung gegen Kinder vor allem aus Bequemlichkeit und seien unfähig, sich auf komplexe, zwischenmenschliche Beziehungen einzulassen. Das offenbart eine bedenkliche Realitätsferne und auch mangelndes Bewusstsein dafür, wie sehr etwa ökonomische Verhältnisse individuelle Entscheidungen erzwingen. Oft hat es ja mit prekären Anstellungsverhältnissen, unsicherer Zukunft, langen Ausbildungsgängen oder auch mit Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu tun, wenn Paare sich gegen Kinder entscheiden. Und sie tun es nicht aus Egoismus, Hedonismus oder übersteigerter Tierliebe, sondern weil sie diese Entscheidung für die einzig verantwortliche halten. Natürlich gibt es auch potenzielle Eltern, die lieber eine Weltumsegelung unternehmen, als sich auf die mühsame Reise der Kindererziehung zu begeben. Doch womöglich tun sie damit genau das, was ihnen entspricht. Und natürlich gibt es auch hedonistische Eltern.

Zudem sagt das alles nichts darüber, wie kinderlose Paare sich als Onkel und Tanten, als Lehrer oder Trainer in Vereinen  oder, auch das soll vorkommen, in ihren Kirchengemeinden für die nachrückende Generation einsetzen. Wie sie jungen Menschen  Vorbild oder Kumpel sind und oft genug ausgleichen, was in den „Vorzeigefamilien“ daheim so alles schiefläuft.

Kinderlosigkeit ist ein komplexes und ein hochsensibles Thema. Die Kirche täte gut daran, als Begleiter zur Stelle zu sein. Menschen Halt zu bieten, auch moralische Leitlinien zu vertreten, Kirche ist kein Verein mit beliebiger Satzung. Doch gerade in Zeiten, in denen die Institution nach etlichen Skandalen und deren Vertuschung so sehr um ihre Glaubwürdigkeit ringt, sollte sich auch ein Kirchenoberhaupt zurückhalten mit Ratschlägen, die auf simplen Unterstellungen basieren und sich nicht herausnehmen, tief in die Lebensweise der Gläubigen hineinzuregieren.

Kinder sind die Zukunft. Mutterschaft und Vaterschaft machen eine Gesellschaft lebendig und reich, da hat der Papst recht.  Belehrungen aber werden Paare nicht zur Familiengründung bewegen. Höchstens die Bemühungen einer Gesellschaft, deren Teil auch die Kirche ist, bestmögliche Voraussetzungen für Elternschaft zu schaffen. Damit Menschen den Mut haben, Kinder großzuziehen. Und wenn sie Lust haben, auch noch ein paar Haustiere.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort