Traditionelle Stierhatz Bislang sechs Aufgespießte und 200 Verletzte in Pamplona

Sechs aufgespießte Menschen und rund 200 Verletzte: Das ist bislang die Bilanz der diesjährigen Stierhatz in Pamplona. Die Stierhatz ist das gefährlichste Volksfest Spaniens. Noch bis zum 14. Juli werden jeden Morgen sechs Stiere durch die engen Gassen der nordspanischen Stadt getrieben.

 Tier und Läufer fallen übereinander - die Stierhatz in Pamplona.

Tier und Läufer fallen übereinander - die Stierhatz in Pamplona.

Foto: AP/Alvaro Barrientos

Vor ihren Hörnern laufen Hunderte von Menschen, darunter zuweilen auch abenteuerlustige Touristen, um ihr Leben. Die meisten Läufer sind junge Männer, aber auch einige Frauen suchen den Nervenkitzel.

Seit diese traditionellen Stiertreiben am 7. Juli starteten, mussten nach Angaben des Roten Kreuzes bereits annähernd 200 Menschen ärztlich versorgt werden. Die meisten erlitten Knochenbrüche, Platzwunden oder Schrammen, weil sie zu Boden stürzten oder von den Stieren niedergetrampelt wurden.

Regelmäßig werden auch „mozos“, wie die weiß-rot-gekleideten Läufer und Läuferinnen genannt werden, auf die Hörner genommen. So wurden etwa an diesem Montag drei „mozos“ aufgespießt. Am Wochenende waren es ebenso viele. Sie wurden von den Hörnern in den Oberschenkeln oder auch im Gesäß getroffen – sie überlebten aber. In den letzten 100 Jahren starben mindestens 16 Menschen bei diesem umstrittenen Spektakel.

„Du riskierst deine Gesundheit”, sagt Teo Lázaro. „Die Stiere können töten.“ Der 48-jährige Baske weiß, wovon er spricht. Er rannte 1991 das erste Mal mit den bis zu 600 Kilo schweren Kampfbullen um die Wette. Seitdem ließ er kaum eine Stierhatz aus, an der jedes Mal mehrere tausend Menschen teilnehmen. 2011 wurde er durch zwei Hornstöße schwer verletzt. Doch auch dies konnte ihn nicht davon abhalten, im darauffolgenden Jahr wieder am Stiertreiben teilzunehmen.

Was er jenen empfehle, die unbedingt bei der Hatz ihr Leben riskieren wollen? Vor allem eines, sagt Lázaro: „Nach hinten gucken, nach links und rechts gucken, nach vorne gucken.“ Man müsse den herandonnernden Stieren und anderen Läufern rechtzeitig ausweichen. Auch wenn dies in der Masse aus Menschen und Stieren nicht immer gelinge.

Deswegen hat Lázaro, der dieses Jahr als TV-Reporter dabei ist, noch eine Überlebensregel: „Wenn du fällst, dann versuche nicht, sofort wieder aufzustehen.“ Die Hörner könnten in diesem Moment gefährlich nahe sein. Erfahrene Läufer bleiben deswegen nach einem Sturz liegen, schützen den Kopf mit den Armen und warten, bis die Gefahr vorbei ist.

Bis zu einer Million Menschen besuchen diese einwöchige Stier-Fiesta, deren täglicher Höhepunkt die morgendlichen Stierrennen sind. Nach der täglichen Hatz wird in der Altstadt der 200.000-Einwohner-Stadt gefeiert.

Am Abend haben die Stiere, die morgens durch die Gassen gejagt wurden, dann ihren zweiten und letzten Auftritt: Sie werden in Pamplonas vollbesetzter Arena vor den Augen von 20.000 Zuschauern von professionellen Toreros getötet. Anschließend geht die Party bis spät in der Nacht auf den Straßen und in den Bars weiter.

„Das ist das beste Fest der Welt“, jubelt Pamplonas Bürgermeister Enrique Maya. Tierschützer sehen dies naturgemäß anders. „Stierkampf ist prähistorisch“, skandierten Demonstranten in Pamplona vor Beginn dieses Volksfestes, das zu Ehren des Stadtheiligen San Fermín gefeiert wird. Sie fordern ein „San-Fermín-Fest ohne Blut“. Die Tierschutz-Bewegung AnimaNaturalis hat bereits 260.000 Unterschriften gegen die „Folter der Stiere“ gesammelt.

Unstrittig ist freilich, dass diese Fiesta, die zur Touristenattraktion wurde, ein Riesengeschäft ist. Die Hotels sind voll, die Bars und Restaurants platzen aus allen Nähten. Die Gastronomie Pamplonas macht während des einwöchigen Stadtfestes rund ein Fünftel ihres gesamten Jahresumsatzes. Viele Anwohner, die an der 875 Meter langen Stierhatz-Strecke leben, vermieten ihre Fenster und Balkone an Schaulustige – für 100-150 Euro pro Tag.

Zum Boom trug auch der US-amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway mit seinem schon 1926 veröffentlichten Roman „Fiesta“ bei, in dem er Pamplonas Stiertreiben ein literarisches Denkmal setzte. Die schon jahrhundertealte Stierhatz-Tradition entsprang offenbar dem Viehabtrieb, bei dem die Rindviecher von den Weiden durch das Dorf in die Ställe überführt wurden.

Kurios ist, dass dieses Spektakel einem guten Zweck dient. Denn der Veranstalter ist das „Haus der Barmherzigkeit“ – eine gemeinnützige Organisation, die das größte Seniorenheim der Stadt betreibt. Das Heim, in dem fast 600 bedürftige Senioren leben, wird mit den Einnahmen des Stierfestes subventioniert – rund drei Millionen Euro kommen so jedes Jahr in die Kasse der Altenhelfer.

Spaniens öffentliche Fernsehanstalt TVE überträgt die Stierrennen übrigens live – zur Frühstückszeit. Der Sender erzielt mit dieser Nervenkitzel-Show Rekordeinschaltquoten. Trotzdem sagen die Statistiken, dass die Toreros in Spanien immer mehr Anhänger verlieren. Vor allem die jüngere Generation wendet sich ab.

Das ist auch in der spanischen Königsfamilie nicht anders: Altkönig Juan Carlos ist ein großer Stierkampffan – sein inzwischen amtierender Sohn Felipe geht hingegen lieber ins Fußballstadion.

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