„Es war so brutal und vorsätzlich“ Wie ein Journalist den Angriff auf Salman Rushdie erlebte

New York · Der Schriftsteller Salman Rushdie ist von einem 24-jährigen Angreifer auf offener Bühne attackiert worden. Ein Journalist war zufällig dabei und berichtete kurzerhand live.

 Zwei Polizisten am Ort des Geschehens.

Zwei Polizisten am Ort des Geschehens.

Foto: dpa/Joshua Goodman

Dem AP-Journalisten Joshua Goodman war nach Ruhe und Pause von den Nachrichten zumute. Er reiste mit seiner Famlie zur Chautauqua-Institution im Westen des US-Staats New York, die für Rückzugsmöglichkeiten bekannt ist. Er mietete sich ein Haus auf dem Anwesen. Am Freitag besuchte er einen Vortrag mit dem Schriftsteller Salman Rushdie, bei dem dieser angegriffen wurde. Goodman, der als Korrespondent für Lateinamerika zuständig ist, hatte nur sein Mobiltelefon zur Hand, um über den Vorfall zu berichten. Per Zufall wurde Goodman Augenzeuge eines unerwarteten Ereignisses.

„Es war sehr surreal, ist die einzige Möglichkeit, es zu beschreiben“, sagte Goodman. „Das war der letzte Ort, an dem du so etwas erwarten würdest.“

Die Chautauqua-Institution liegt mehr als eine Stunde Autofahrt von der nächstgelegenen Großstadt, Buffalo, entfernt. Dort können sich Besuchende einer spirituellen Reflexion unterziehen und sich weiterbilden. Goodman nutze seinen Aufenthalt, um segeln zu lernen. Am Donnerstagabend (Ortszeit) rösteten er und seine Familienangehörigen Marshmallows und beobachteten einen Vollmond über dem Lake Chautauqua. Der Rushdie-Termin war vor Ort ein Highlight der Woche. Kurz vor dem Beginn traf der 46-jährige Goodman an dem dafür vorgesehenen Amphitheater ein.

Im Publikum war bekannt, dass es gegen Rushdie Todesdrohungen gegeben hatte - im Iran gab es ein Kopfgeld in Höhe von mehr als drei Millionen Dollar. Das hatte mit Rushdies Buch „Die satanischen Verse“ zu tun. Besucher witzelten, sie wollten lieber nicht in der ersten Reihe sitzen. Goodman sagte, vor Ort habe es kaum Sicherheitsvorkehrungen gegeben. In der Gegend sei es üblich, nachts die Türen nicht abzuschließen.

Rushdie wurde gerade vorgestellt, als der Angreifer auf die Bühne kam und ihn angriff. Goodman konnte von seinem Platz im Publikum nicht erkennen, ob Rushdie geschlagen wurde oder auf ihn eingestochen wurde. Doch dann sah er offenbar Blut. „Es gab einen Schockmoment“, sagte Goodman. „Jeder im Publikum saß ungläubig da.“

Als die Polizei mit einem Polizeihund und andere Helfer zur Bühne eilten, wurde Goodman bewusst, was passierte. Er ging in den Reporter-Modus über. Per E-Mail kontaktierte er Redakteure bei der Nachrichtenagentur AP und ging zur Bühne. Obwohl er und die anderen Besucher aufgefordert wurden, wegzugehen, blieb Goodman. Er machte Fotos und befragte Augenzeugen.

Erst nach etwa einer Stunde konnte er über das nachdenken, was er erlebt hatte. Der Angriff sei eines der schlimmsten Dinge gewesen, bei denen er jemals dabei gewesen sei. „Es war so brutal und vorsätzlich“, sagte Goodman. „Es macht mir keinen Spaß, Zeuge einer Tragödie zu werden. Es macht mir aber Spaß, andere zu informieren.“

(hebu/dpa/ap)
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